Rede
in Unterschleißheim am 19.02.:
Sehr
geehrte Damen und Herren,
mein
Name ist Franz Heilmeier, ich bin katholischer Seelsorger an der
Hochschulgemeinde Freising-Weihenstephan. Die Hochschulgemeinde ist
eine ökumenische Einrichtung, die gemeinsam von der
evangelischen Landeskirche und der katholischen Erzdiözese
München und Freising getragen wird. Wir sind zuständig für
die Menschen, die an der Fachhochschule Weihenstephan und am
Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität
München studieren, lehren, forschen und arbeiten. Dies sind über
6000 Studierende sowie etwa 2000 wissenschaftliche und technische
Angestellte und Lehrende. Wir sind keine Gemeinde im herkömmlichen
kirchlichen Sinn, sondern eher ein Forum mit einem vielfältigen
geistlichen und kulturellen Angebot sowie sozialer Unterstützung
und Lobbyarbeit für einen lebens- und menschenfreundlichen
Campus. Ich möchte hier sprechen für meine „Gemeinde“
und ich möchte sprechen als Seelsorger und Theologe meiner
Kirche.
Der
Campus Freising-Weihenstephan wäre stark vom Bau einer dritten
Startbahn betroffen. Gerade als Grünes Hochschulzentrum mit
einem natur- und lebenswissenschaftlichen Schwerpunkt würde er
in mehrfacher Hinsicht beträchtlichen Schaden erleiden.
Viele
Lehrveranstaltungen finden in der freien Natur statt, etwa im
Kranzberger Forst, in den verschiedenen Versuchsstationen oder auch
am Campusgelände selbst. Mir hat ein Mitarbeiter an einem
forstwissenschaftlichen Lehrstuhl geschildert, wie schon jetzt mit
zwei Start- und Landebahnen Veranstaltungen in Mitleidenschaft
geraten. Zu diesen Einschränkungen für den Ablauf von
Veranstaltungen selbst käme hinzu, dass durch die verstärkte
Luftbelastung auch verschiedene Versuche nicht mehr sinnvoll
durchzuführen sind, da Messungen von diesen Belastungen stark
mitbestimmt wären.
Auch
die Hörsäle und Seminarräume würden in
Mitleidenschaft gezogen. Weihenstephan wäre zwar nicht im
gleichen Ausmaß betroffen wie etwa Lerchenfeld oder gar
Attaching. Aber als jemand, der in Neufahrn wohnhaft ist,weiß
ich, dass sich um die angegebenen Flugrouten immer ein Lärmkorridor
bildet, der die Lebens- und Studienbedingungen in Weihenstephan
einschneidend beeinträchtigen würde.
Die
Attraktivität und der Charme des Hochschulzentrums liegt auch
darin, dass er mit seinen Gärten, Hügeln und freien Plätzen
eine Vielfalt an Oasen besitzt, die den Menschen einfach gut tun und
durch die er sich unterscheidet von dem Charakter einer Vielzahl
anderer Hochschulorte. Auch darin würde dieses Zentrum einen
deutlichen Schaden nehmen.
Nicht
zuletzt möchte ich auf unser eigenes Haus gegenüber der
Unibibliothek am Anfang der Hohenbacherner Straße hinweisen.
Die Erzdiözese München und Freising hat es für die
Hochschulseelsorge gekauft. Es stellt mit seinen Räumen und
seinem Garten ein attraktives Angebot für unsere Gemeinde dar,
das ebenfalls von einer dritten Start- und Landebahn negativ
betroffen würde.
Zusammen
gefasst: Als jemand, der selbst am Hochschulzentrum arbeitet und der
die Sorgen und Fragen vieler Studierenden und Lehrenden,
Beschäftigten und Anwohner kennt, beantrage ich, dass die
Auswirkungen einer dritten Startbahn durch Lärm und
Luftschadfstoffe für das Hochschulzentrum Freising-Weihenstephan
gründlich und unabhängig untersucht werden.
Wir
in der Hochschulgemeinde sind von mehreren Seiten auf die zu
befürchtenden Auswirkungen auf das Hochschulzentrum angesprochen
worden sind. Daher haben wir uns von Seiten der Hochschulgemeinde an
Verantwortliche sowie Mitarbeitervertretungen der verschiedenen
Einrichtungen gewandt. Die Reaktionen darauf haben mir sehr zu denken
gegeben. Es ist uns – vorsichtig ausgedrückt –
mehrheitlich starke Zurückhaltung entgegen gekommen. Das
Grundsignal war: Als Einrichtungen, die unter staatlicher Obhut
stehen, sollten wir uns sehr zurück halten mit einer
öffentlicher Positionierung gegen eine ganz oben beschlossene
und politisch gewollte Planung. Es würde schädlich auf uns
zurückfallen.
Wir
haben deshalb eine Informationsveranstaltung zu den Auswirkungen
einer dritten Startbahn auf Weihenstephan mit dem damaligen Landrat
Pointner, seinem Nachfolger Schwaiger und dem Landtagsabgeordneten
Magerl sowie eine Unterschriftenaktion gemacht. Die 975
Unterschriften schickten wir an Ministerpräsident Dr. Beckstein
und verbanden dies mit der Aufforderung, dass er als oberster
Dienstherr der verschiedenen Einrichtungen aus Fürsorgegründen
eine Einwendung gegen den geplanten Ausbau erheben solle.
Nach
einer längeren Zeit erhielten wir eine Antwort vom damaligen
Chef der Staatkanzlei Minister Sinner. Darin ging er mit keinem Wort
auf die spezielle Situation Weihenstephans ein und antwortete nur
sehr allgemein, dass aus übergeordenten Interesse der Bau der
dritten Startbahn alternativlos sei.
Als
wir diese Antwort veröffentlichten, schrieb ein Professor des
Wissenschaftszentrums einen Brief an Herrn Sinner. Darin brachte er
seinen Ärger über diese Antwort zum Ausdruck und zeigte
langfristig durchdachte Alternativen zum Bau einer dritten Startbahn
auch bei Zunahme des Luftverkehrs auf. Herr Sinner lud darufhin ihn
zusammen mit Vertretern der Hochschulgemeinde zu einem Gespräch
in die Staatskanzlei ein. Bei diesem Gespräch im August letzten
Jahres zeigte sich Minister Sinner aufmerksam und freundlich, aber
auch auf eine enttäuschende Weise überrascht und
uninformiert bzw. sehr einseitig informiert über die Situation
bei uns.
Ich
beantrage, dass die Staatsregierung im Blick auf die Folgen einer
dritten Start- und Landebahn ihrer Fürsorgepflicht für die
Beschäftigten am Hochschulzentrum Weihenstephan nachkommt.
Nun
könnte man vielleicht sagen: Was mischen sich da kirchliche
Seelsorger überhaupt in eine solche gesellschaftliche
Auseinandersetzung ein? Manche äußern ja die Ansicht, hier
solle sich die Kirche raushalten bzw. nur als neutraler Schlichter
handeln.
Deshalb
möchte ich einen Satz zitieren, der am Beginn der sogenannten
Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ des 2.
Vatikanischen Konzils steht. Dieses Dokument ist zwar bereits gute 40
Jahre alt, aber es ist so etwas wie das Grundgesetz für
kirchliches Handeln in der Welt. Der erste Satz lautet: „Freude
und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der
Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung,
Trauer und Angst der Jünger Christi.“
Diesem
Satz weiß ich mich tief verpflichtet – persönlich
als Christ und beruflich als Seelsorger der katholischen Kirche. Wenn
ich diesen Satz auf die Auseinandersetzung um die
Flughafenausbaupläne lege, liegt es wohl auf der Hand, auf
welcher Seite es um Trauer und Angst geht, man kann auch ergänzen
um Sorgen und Ohnmacht, ja um Verzweiflung geht und auf welcher Seite
es nicht darum, sondern um Betriebsumsätze und
Gesellschaftsziele geht.
Ich
weiß auch, wo hier die Bedrängten und Armen stehen und wo
die Reichen und Unbeteiligten sind. Es erinnert ja an den biblischen
Kampf David gegen Goliath. Auf der einen Seite eine einmal gefasste
politische Entscheidung, die man nun ohne gravierenden
Gesichtsverlust nicht mehr zurück nehmen kann und die man
deshalb mit viel Geld und Personal, mit professioneller Medienarbeit
und gut bezahlten Fachleuten durchzieht. Auf der anderen Seite Leute,
die ihre ganze Freizeit einsetzen, Rentner, Menschen, die hier zu
Hause sind und um diese Heimat kämpfen. Das sind keine
herbeigekarrten Berufsdemonstranten, wie es der frühere
Ministerpräsident gesagt hat und wie es wohl manche in München
heute noch glauben. Es sind Menschen, die sich hier oft behandelt
fühlen wie ein Kollateralschaden, der bei einem Großbau
hinzunehmen sein soll und den man mit viel Geld wieder ruhig stellen
könne.
Nirgends
in Bayern gab es die Wahlergebnisse wie hier in Freising. Die
Menschen haben erlebt, dass sie getäuscht worden sind, dass sie
nur taktsch angehört worden sind und dass auch bei richterlichen
Entscheidungen letztlich die Ansicht der Betreiber eins zu eins
übernommen wurde.
Deshalb
sind viele auch skeptisch genüber diesem Verfahren. Der Glaube,
dass der Antrag der FMG schließlich nicht doch einfach
durchgewunken wird und dass der Widerstand wirklich eine Chance
erhält, ist nicht groß. Es gibt zu viele Beispiele, dass
ein Zug, der einmal von Staatsregierung und großem Unternehmen
auf das Gleis gesetzt worden ist, nicht mehr angehalten werden darf
und kann.
Ich
möchte deshalb in diesem Zusammenhang aus einem Papier der
Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 1998 zitieren. Das Papier
trägt den Titel „Handeln für die Zukunft der
Schöpfung“. Darin heißt es: „Aus den Zwängen
und falschen Anreizen der
oft
unzulänglichen gesellschaftlichen Strukturen, aus der
Unvorhersehbarkeit mancher Entwicklungen, aus dem begrenzten Horizont
der Entscheidungsträger sowie aus menschlichen Irrtümern,
Streitigkeiten und Charakterschwächen ergeben sich oft
politische und individuelle Fehlentscheidungen. Sie erfordern als
Konsequenz eine stete Bereitschaft zu besserer Einsicht, Korrektur
und Versöhnung.“
Ich
hoffe, dass eine solche Korrektur und bessere Einsicht zu Gunsten von
Mensch und Schöpfung hier noch möglich ist. Ich glaube
nicht an die Alternativlosigkeit der 3. Startbahn. Ich glaube, dass
die FMG einen Nichtbau der dritten Startbahn viel besser verkraften
würde als sie heute vorgibt. Ich beantrage, dass die Regierung
von Oberbayern Pläne der FMG für den Fall anfordert und
einholt, dass die dritte Startbahn nicht gebaut wird.
Ich
stamme aus dem Landkreis Erding und bin dann nach Neufahrn in den
Landkreis Freising gezogen. Ich habe in beiden Landkreisen, als
Seelsorger in der Neufahrner Pfarrgemeinde und nun als
Hochschulseelsorger die Auseinandersetzungen um den Bau und Umzug des
Flughafens erlebt, das Versprechen, dass es nur um einen Ersatz für
den Flughafen Riem geht, dann das Versprechen, dass keine weitere
Start- und Landebahn geplant sei. Es ist immer wieder mit den Händen
zu greifen, welche entscheidende Rolle es spielt, dass andere Gebiete
etwa im Süden und Westen von München einfach eine größere
Lobby als wir hier haben.
Solche
Erfahrungen haben mich hellhörig und kritisch werden lassen. An
all das denke ich, wenn ich den Satz des Konzils in Erinnerung rufe:
„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute,
besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude
und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“
Ich
sehe mich gerade als Seelsorger in meiner Kirche auf der Seite der
hier Bedrängten, in einer Verantwortung, mit meinen
Möglichkeiten beizutragen, dass der Bau dieser Startbahn
verhindert wird. Daher beantrage ich, dass in der Abwägung der
verschiedenen Aspekte die ethische Vernatwortung gegenüber
Mensch und Schöpfung ernsthaft und vorrangig berücksichtigt
wird.
Vielen
Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
(Franz
Heilmeier)