Zur Person: Als
damaliger Rektor des Pallotti Hauses habe ich am 12. November 2007 im
Rahmen des Anhörungsverfahrens Einspruch erhoben gegen den Bau
einer 3. Start- und Landbahn. Auch wenn ich nicht mehr Leiter dieser
Einrichtung bin, bin ich beauftragt hier in deren Namen zu sprechen.
Außerdem bin ich
zusammen mit einem Mitbruder verantwortlicher katholischer Seelsorger
in den Freisinger Pfarreien St. Jakob in Vötting mit der Filiale
Hohenbachern und St. Ulrich in Pulling mit der Filiale Achering.
1. Der Einspruch des
Pallotti Hauses: Ich darf aus unserem schriftlichen Einspruch
zitieren: “Das Pallotti Haus dient als Bildungshaus für
Gäste aus dem In- und Ausland. Es bietet eigene Kurse an und
steht auch für fremde Veranstalter als Tagungshaus offen.
Wir sehen unsere Arbeit
durch die zu erwartende Lärmbelästigung durch die 3.
Startbahn sehr belastet, wenn nicht sogar gefährdet. Dabei geht
es nicht nur um wirtschaftliche Einbußen, sondern es ist vor
allem eine Behinderung der inhaltlichen Arbeit zu befürchten.
Der Schwerpunkt unserer
eigenen Kursarbeit ist seit 13 Jahren die therapeutische
Seelsorge. Menschen mit allerlei psychischen Problemen suchen bei
uns Ruhe und Hilfe, teils in kurzfristigen Kursen, teils in
dreiwöchigen Therapieaufenthalten. Zahlreiche Personen aus
dieser Klientel sind äußerst schreckhaft, leiden unter
Schlafstörungen und einer gesteigerten Nervosität. Die
Lärmbelästigung durch die 3. Startbahn wird den
therapeutischen Prozess vermutlich so sehr belasten, dass die
Fortsetzung dieser Arbeit gefährdet und damit die Zukunft des
Bildungshauses und der Niederlassung der Pallottiner in Frage
gestellt ist.
… Mit dem
Pallotti Haus ist eine Kirche verbunden. Die
Pallottinerkirche ist ein beliebter Ort nicht nur für
Gottesdienste, sondern auch für die persönliche Besinnung
und Aussprache. Auch hier wäre zusätzlicher Lärm eine
enorme Störung.“
Auf diesen Einspruch
erfolgte keine Antwort, sodass die Frage offen bleibt, ob unsere
therapeutische Arbeit durch möglichen Fluglärm
beeinträchtigt wird. Unsere Befürchtungen stützen sich
auf bisherige Erfahrungen bei Änderung der Flugroute bei
widrigen Witterungsbedingungen.
Am
Ende unseres Einwandes erklärte ich: „Neben diesen
Einwänden schließe ich mich im Namen des Pallotti Hauses
der Stellungnahme der "Schutzgemeinschaft Erding-Nord, Freising
und Umgebung e.V." und des "Bund Naturschutz in Bayern
e.V." an.“ Daran hat sich nichts geändert, doch die
einschlägigen Argumente brauche ich hier nicht eigens zu
wiederholen.
2.
Schutz der menschlichen Würde: Als Seelsorger von Pulling,
Achering und Vötting, aber auch als Seelsorger, der öfters
in der Lerchenfelder Filialgemeinde Attaching tätig ist, spüre
ich den anwachsenden Zorn vieler Menschen angesichts der fordernden
Macht der FMG. Zugleich macht sich eine tieftraurige Resignation
breit: „Die machen doch, was sie wollen. Da haben wir keine
Chance. Nach uns wird doch nicht gefragt.“ – Beides macht
mich besorgt. Den wachsenden Zorn halte ich für gefährlich,
weil er sich oft zu Gewaltbereitschaft verdichtet, wie frühere
Beispiele zeigen (Wackersdorf, Startbahn West in Frankfurt, WAA
Gorleben…). Die Resignation bringt keine guten Früchte:
politische Abstinenz bei Wahlen oder Zulauf für extreme und
populistische Strömungen. Das wird bereits mittelfristig zu
einer gefährlichen Destabilisierung unseres demokratischen
Gemeinwesens führen.
Ich
stehe hier, weil ich all diesen Leuten sagen möchte: Ich habe
noch die Hoffnung, dass die Stimme jedes einzelnen gehört und
fair erwogen wird. Ich möchte nicht, dass jene Recht behalten,
die sagen: „Die machen doch, was sie wollen! Auf uns nimmt
niemand Rücksicht!“
Daher
weiß ich es sehr zu schätzen, dass hier – trotz
erheblicher Kosten und hohem Zeitaufwand – die Möglichkeit
der freien Meinungsäußerung eingeräumt wird. Doch
dies darf kein belangloses Spiel sein, sondern muss dem fairen
Entscheidungsfindungsprozess dienen.
3.
Ethische Überlegungen:
a.
Frage nach der Rechtfertigung des Baus einer 3. Start- und Landebahn.
Es ist ein sozialethisches Prinzip, dass ein Projekt dieser
Größenordnung einer Rechtfertigung bedarf. Dies trifft
besonders zu, wenn die Rechte anderer davon berührt sind. - Dies
kann der Fall sein – wie bei der 3. Startbahn – im
Hinblick auf die Errichtung des Projektes und seiner Kosten und im
Hinblick auf die Folgen bzw. Auswirkungen des Projekts. - Die
Rechtfertigung ist umso dringlicher, je gewichtiger die betroffenen
materiellen, geistigen und ethischen Werte sind. Unstrittig ist, dass
es sich bei der 3. Startbahn um ein sehr teueres Projekt handelt,
dass viel an Grund und Boden dafür benötigt wird und der
Naturschutz verletzt wird, dass Gesundheit und Wohlbefinden der hier
ansässigen Bevölkerung belastet werden, dass es
Auswirkungen gibt auf die Bevölkerungs- und Sozialstruktur des
Freisinger-Erdinger Raumes. - Weiter muss der Nachweis erbracht
werden, dass der Nutzen größer ist als der Schaden, - dass
der Nutzen (z.B. die Stärkung des Wirtschaftsraumes München)
nur durch diese Maßnahme erreicht werden kann, - dass im Falle
der Rechtfertigung die Einschränkung des Wohles anderer auf ein
unbedingt erforderliches Minimum begrenzt ist.
Die
neue Startbahn gibt es nicht umsonst. Dafür werden erhebliche
finanzielle Mittel benötigt. Es ist müßig über
die genaue Höhe der Kosten zu streiten; sie sind riesig und
belasten größtenteils die Kassen der Bürger auf der
Ebene der Kommunen, des Freistaates und des Bundes. Daran wird auch
die nächste Generation noch zu tragen haben. Eine solche
Belastung ohne zwingenden Grund ist nicht nur schädlich, sondern
auch zutiefst unmoralisch. Dass dies zunehmend mehr auch die Politik
so sieht, zeigt die Diskussion um ein Schuldenbegrenzungsgesetz. Die
finanziellen Aufwendungen für die 3. Startbahn laufen dem
Anliegen der Schuldenbegrenzung total zuwider. Außerdem werden
diese finanziellen Mittel für andere Dinge benötigt, die im
wahrsten Sinne des Wortes „not-wendig“ sind. (vgl. Kosten
für Rüstung binden Mittel, die für die Bekämpfung
des Hungers in der Welt notwendig sind / Paul VI.).
Die
Fragen der ökologischen und gesundheitlichen Folgen sind von
anderen schon oft vorgebracht worden. Einige soziale möchte ich
später noch ansprechen.
b.
Frage nach der Notwendigkeit: Gibt es wirklich eine Not, die nur
durch dieses Projekt gewendet werden kann?
-
Ist das Flugangebot nicht ausreichend, um die erforderlichen
Bedürfnisse abzudecken? Das kann mit Sicherheit nicht behauptet
werden. Im Gegenteil: es werden viele Anstrengungen unternommen, um
die Nachfrage künstlich zu steigern und neue Fluggäste zum
Flughafen München zu lenken. Die „natürliche“
Nachfrage kann durch den bisherigen Betrieb auch in absehbarer
Zukunft gut abgedeckt werden. Zudem gäbe es in der weiteren
Region (z.B. Nürnberg, Augsburg, Memmingen oder Salzburg) noch
genügend, zum Teil wegen kürzeren Eincheckzeiten attraktive
Alternativen, vor allem für Inland- und Urlaubsflüge. Also
keine Notwendigkeit!
-
Besteht eine wirtschaftliche Notwendigkeit? Der Raum Freising
hatte schon vor der Errichtung des Flughafens eine
überdurchschnittlich gute Beschäftigungslage. Die Zahl der
Arbeitsplätze ist zwar durch den Flughafen unbestritten weiter
und sehr erheblich gewachsen, aber gleichzeitig auch die Zahl derer,
die wegen den zu geringen Löhnen oder zu ungesicherten
Beschäftigungsverhältnissen zusätzliche soziale
Aufwendungen in Anspruch nehmen müssen, vornehmlich auch aus der
Kasse der Kommunen. Angesichts der hohen Sozialkosten benötigt
unsere Region dringend neue Unternehmen, aber solche, die das
Finanzkommen der Kommunen spürbar erhöhen statt die
Belastungen weiter zu steigern. Etwas holzschnittartig lässt
sich aus der Erfahrung der letzten Jahre geradezu sagen: je größer
die Zahl der neu angesiedelten Flughafen-Beschäftigten, desto
größer die Zahl der Sozialhilfeempfänger. Also
wendet der Ausbau keine wirtschaftliche Not.
-
Besteht eine Notwendigkeit bezüglich der Zukunftsfähigkeit
unseres Raumes? Der Raum Freising ist durch den Flughafen bereits
jetzt verändert und wird weiterhin verändert werden. Die
Lebensqualität ist stark beeinträchtigt. Der Ausbau nimmt
etlichen Menschen direkt oder indirekt ihre Heimat. Selbst wenn sie
im Falle einer Absiedelung eine angemessene materielle Entschädigung
erhalten, werden sie heimatlos und haben an ihrem neuen Wohnort nicht
selten unter den Neidgefühlen der Einheimischen zu leiden (siehe
Flüchtlingsgeschichte der Nachkriegszeit). – Immer mehr
Wohngebiete der Stadt Freising (z.B. Lerchenfeld) werden überflogen.
Damit wird das Gefahrenrisiko erhöht. Das war einst u.a. ein
gewichtiges Argument für die Verlegung des Flughafens
München-Riem. Die Wohnqualität sinkt deutlich, wofür
die Immobilienpreise ein deutlicher Indikator sind. Die
Zukunftsfähigkeit wird eher gefährdet als gefördert.
Also keine Notwendigkeit.
-
Wessen Not wird gewendet? Die Not der hier ansässigen
Menschen wird nicht gewendet. Das Verlangen nach der 3. Startbahn ist
lediglich von der Vermutung gelenkt, dass sie eine gute finanzielle
Rendite bringt für die Betreiber! Doch selbst die
Profit-Aussichten werden von Tag zu Tag trüber. Sie sind
trügerisch. Aber sogar wenn sich die Vorstellungen vom Profit
erfüllen würden, wäre dieses Streben nach Profit nicht
gerechtfertigt, weil es das Wohl vieler Menschen missachtet. Das
ist unmoralisch, selbst wenn es durch Gesetze abgedeckt ist!
Bei der Güterabwägung nehmen die Menschenrechte
und die Menschenwürde in jedem Fall einen höheren Rang ein
als materielle Werte.
4.
Seelsorgerliche Überlegungen
Der
Flughafen ist schon jetzt auf Schritt und Tritt bei vielen
Seelsorgsgesprächen ein Thema. Dafür sorgen vor allem die
vielen Billigjobs, die Dumpinglöhne der Leiharbeitsfirmen und
die ungesicherten Arbeitsverhältnisse im Einflussbereich des
Flughafens. Dieser mein persönlicher Eindruck wird bestätigt
durch Rückmeldungen aus den kirchlichen Beratungsstellen, sei es
die Schuldnerberatung, die Suchtberatung, die Lebens- und Eheberatung
oder Schwangerschaftsberatungen wie DONUM VITAE. (Kommunale Stellen
oder Stellen der Wohlfahrtsverbände berichten Ähnliches.)
Viele Konfliktsituationen haben u. a. mit der unzureichenden
Entlohnung im Bereich des Flughafens zu tun. Zudem fehlt oft ein
vertrautes soziales Umfeld. Viele haben sich hier niedergelassen in
der Hoffnung auf Arbeit, doch die Arbeit ist meist unterbezahlt und
kann jederzeit verloren gehen. Wenn dies durchgestanden werden muss
ohne Rückhalt durch den angestammten familiären Rückhalt,
tritt oft eine Überforderung ein, manchmal sogar
lebensbedrohlich. Dafür spricht auch die steigende Zahl der
Suizide an der S-Bahnstrecke Freising-München.
Es muss alles getan
werden, was wir tun können, um Not wirklich zu wenden. Wenn
schon finanzielle Mittel in dieser Größenordnung zur
Verfügung gestellt werden können, dann für Dinge, die
wirklich Not wenden. Ich denke an das weite Feld des Sozialwesens vom
Kindergarten über die Schulen und die Bildung, von der
Versorgung der Kranken und Pflegebedürftigen; ich denke an das
weite Feld des Natur- und Heimatschutzes, der Friedensarbeit und der
Kultur und manch anderes mehr.
- Der Ausbau des
Flughafens wendet keine Not, sondern vergrößert sie;
- er löst keine
sozialen Probleme, sondern verschärft sie;
- er sichert nicht
die Heimat der Menschen, sondern zerstört sie;
- er dient nicht dem
Gemeinwohl, sondern überwiegend den Interessen von wenigen;
- er bürdet der
kommenden Generation eine Last auf, die wir nicht verantworten
können.
Es
darf nicht sein, dass allein die Aussicht auf Profit über Ja
oder Nein zu diesem Projekt entscheidet. Unsere Entscheidungsmaßstäbe
müssen andere sein. Auf das Wohl des Menschen kommt es an und
nicht auf die egoistischen Forderungen des Mammons.
Noch
vertraue ich auf die Fairness unseres demokratischen Gemeinwesens.
Dazu gehört auch die Bereitschaft, sich in die Lage von Menschen
zu versetzen, die in Bedrängnis sind, auch wenn diese Bedrängnis
vielleicht nicht die meinige ist. Not und Angst von Menschen ist
immer ernst zu nehmen, selbst wenn es sich dabei um eine Minderheit
handelt. Das ist ein Postulat der Menschenwürde und der
Solidarität.
NB.:
Papst Benedikt XVI. am 19.2.09: „Wir sind nicht nur von einer
wirtschaftlichen oder finanziellen Krise betroffen. Es geht hier vor
allem um die Krise einer Gesellschaft, die sich auf einfache und vor
allem schnelle Gewinnmaximierung eingeschworen hatte, was manchmal
auch zu Lasten von Gerechtigkeit und Solidarität sowie der
grundlegenden ethischen Werte geht.“