Dr. Wilhelm Abrecht
Wortmeldung im
Erörterungsverfahren im Ballhausforum Unterschleißheim,
vorgetragen am
16.2.2009
Ich wohne mit meiner
Frau Elisabeth seit 32 Jahren in FS, davon 28 Jahre in Lerchenfeld
und engagiere mich bei den Christen zur Bewahrung der Schöpfung.
1. Entgegnungen
der FMG auf meine schriftliche Einwendung
Vorweg: Die Antworten,
die ich bekommen habe, trumpfen auf mit Belehrungen über Gesetze,
Regelwerke und Verordnungen. Sie wirken wie Legobausteine, die man
mal so, mal so zusammenstellen kann. Ich fühle mich dabei häufig
mit Schlagworten oder Floskeln abgespeist.
Erstes Beispiel:
Ich habe auf meine Herz/Kreislauf- und auf Atemwegserkrankungen
hingewiesen. Die Antworten der Vorhabensträgerin waren stereotyp:
„Wir nehmen das zur Kenntnis“. Was soll das heißen? Wenn in
München eine Ziegel vom Dach fällt und das steht in der Zeitung,
dann nehme ich das auch zur Kenntnis, aber es interessiert mich nicht
im Mindesten. Ist das Zur- Kenntnis - nehmen so zu verstehen? Will
die FMG nur beschwichtigen? Das wäre fahrlässig. Oder registriert
sie gesundheitliche Belange ernsthaft und sorgfältig?
Ich stelle den Antrag
auf Veröffentlichung der genauen Zahlen und Befunde, wie viele der
60.000 Einwender gesundheitliche Beschwerden vorgetragen haben und
welche Krankheitsbilder damit verbunden sind.
Ein zweites
Beispiel:
Ich habe eingewendet,
die Sicherheitsrisiken in den Umlandregionen werden sich durch
steigende Flugbewegungen verschärfen. Die Entgegnung der
Antragstellererin: „Aus der Perspektive des Luftverkehrs sind vor
allem die festgelegten Flugrouten für die Größe eines Risikos
maßgeblich, nicht dagegen die Zunahme der Flugbewegungen als
solche.“. Die FMG stellt mein Bedenken auf die Seite und
unterschiebt einen andern Gegenstand. Angefragt war ja nicht, ob es
weitere oder größere Risikofaktoren für die Umlandsicherheit geben
könnte.
Man will uns
weismachen: Die Zunahme an Flugbewegungen durch eine 3. Start- und
Landebahn hat keinen entscheidenden Einfluss auf die Risikosituation.
Die FMG drängt auf eine 3. Bahn mit der Begründung: Der Verkehr
wird zunehmen, Und sie beruhigen sogleich: Das ist ganz ungefährlich,
denn mehr Flugbewegungen erhöhen nicht die Gefahren für Sicherheit
des Umlandes. Das verstehe wer mag. Wenn auch eine 3. Bahn, wie die
FMG betont, die Verkehre entzerrt, vergrößern doch 120
Flugbewegungen pro Stunde aber nach Adam Riese das Risiko für das
Umland . Verschärfend kommt hinzu: Der Flughafenzaun rückt näher
an das z.T. klar städtische Umland heran. Und die Abdrehwinkel der
Starts und deren Ansatz in der Bahn oder am Ende sind immer noch
nicht eindeutig bestimmt. Das könnte die Stadt Freising noch
erheblich stärker bedrängen. Aber dafür ist die Antragstellerin
nicht zuständig. Das ist Sache einer anderen, der
Flugsicherungsbehörde.
In ihrer Erwiderung
verstärkt die FMG somit die Zweifel, die sie zu beschwichtigen
vorgibt. Gerne nehme ich zur Kenntnis, dass es technische
Fortschritte bei der Automatisierung der Flugsicherung gibt. Zugleich
aber versichert man uns: Statistische Untersuchungen zeigen, dass mit
zunehmender Größe eines Flughafens, also trotz verdichteter
Infrastrukturkomplexität eine Abnahme der Unfallwahrscheinlichkeit
verbunden ist. Da würde ich gerne in solche Statistiken
hineinschauen. Welche Flughäfen an welchen Orten in welcher
räumlichen Entfernung von bewohnten Gebieten werden da herangezogen?
Madrid kann nicht dabei sein, New York auch nicht, um nur die beiden
letzten fatalen Ereignisorte zu nennen. In New York gab es
bekanntermaßen innerhalb eines Monats 2 Flugkatastrophen: die
Wasserung auf dem Hudson und den direkten Absturz vor wenigen Tagen
Es stehen bei solchen „statistischen“ Vergleichen wohl eher Dubai
in der Wüste oder Flugplätze im landreichen mittleren Westen der
USA in der Recherche. Aber unser Radius ist Mitteleuropa! Damit das
klar herauskommt stelle ich den Antrag: Die Regierung Obb.
möge die 25 größten europäischen Flughäfen und ihre Nähe zu den
benachbarten Städten auflisten samt der Anzahl der in den letzten 10
Jahren erfolgten oder hoffentlich bereits rechtzeitig abgewendeten
Unfallereignisse.
2. Anfrage:
Brauchen wir überhaupt einen weiteren Ausbau?
Herr Dr. Gronefeld,
FMG, hat hier im Ballhauszentrum von nationalen Empfindlichkeiten
gesprochen. Jedes Land will sein Prestige durch Erhalt seiner
Fluglinien und den Ausbau seiner Flugplätze sichern. Heißt im
Klartext: jedes Land schaut auf seine eigene Pfründe und zielt auf
größtmöglichen Anteil an Flugaufkommen. Zürich, Amsterdam, Wien,
Paris, Madrid, Prag planen den Ausbau, oder sofern sie es nicht schon
haben, ebenfalls Drehkreuze. Gibt es überhaupt verbindliche
internationale Absprachen zwischen den europäischen Ländern? Wie
lange will sich Europa einen Wettbewerb an national-egoistischen
Marktanteilen noch leisten? Immer noch herrscht das Prinzip der
Konkurrenz, will sagen: der Kampf darum, wer den größeren Anteil am
Kuchen gewinnt. Vernünftig und rationell wäre es stattdessen, mit
aller Entschlossenheit auf internationale Synergieverbünde zu
setzen.
Die FMG erklärt uns:
MUC soll zum effizientesten und effektivsten Hub und zu einem der
führenden europäischen Drehkreuze entwickelt werden. Dabei gibt es
jetzt schon keine relevante Fluglinie mehr, der jetzt noch eine
internationale Direktverbindung mach München fehlt. Bereits vor der
letzten rasanten Ölpreiserhöhung hat das auf Luftverkehr
spezialisierte Beratungs-unternehmen Booz-Allen-Hamilton
festgestellt, dass künftig weniger als die Hälfte der europäischen
Drehkreuze in der Lage sein wird, hinreichend Verkehr zu bündeln um
als Drehkreuz überleben zu können. Weniger als die Hälfte! Wozu
dann hier an Ort und Stelle eine weitere Startbahn und wenn ja: warum
4000m lang?
Ich stelle den Antrag
auf eine überzeugende Begründung, warum eine weitere 4000m Bahn in
München notwendig ist bzw. Warum eine solche nicht verkürzt werden
könnte.
Dieselben kämpferischen
und einander ausstechenden Denkmuster beherrschen auch das Inland.
Immer noch gibt es kein nationales Flugwegekonzept der
Bundesrepublik. Jeder baut auf eigene Faust und eigenen Ehrgeiz.
Minister Gabriel hat letztes Jahr bei seinem Besuch in Freising
freimütig eingestanden, dass neben München auch Nürnberg ausgebaut
wird, FFM sowieso, aber auch Köln-Düsseldorf und Berlin zum BBI
Berlin Brandenburg International emporwachsen soll. BBI ist mehr als
ein bloßer Sammelflugplatz an Stelle von Tegel, Tempelhof
Schöneberg. BBI soll den gesamten Nord-Osten Europas bestreichen und
es wäre doch sonderbar und kurios, wenn ausgerechnet die Hauptstadt
eine tragende Hub Funktion allein zwei Flugplätzen in der Provinz
überließe.
3. Ein Blindflug
angesichts der Grenzen des Wachstums
Erlauben sie, dass ich
meinen Blick über den gesteckten Planungshorizont hinaus richte.
Denn meine Unruhe über das Flughafenprojekt macht nicht Halt am
Bauzaun. In meiner Einwendung bin ich auf die gesamtwirtschaftlichen
Aussichten, auf die begrenzten Rohölvorkommen und auf die
klimatischen Auswirkungen dieses Vorhabens eingegangen. Aber da habe
ich mir mehrere Schiefer eingezogen. Jedes Mal hieß die Entgegnung
lapidar: „Das ist nicht Gegenstand des
Planfeststellungsverfahrens.“ M.a.W.: Tut uns wirklich leid, aber
dafür sind wir nicht zuständig. Wir haben einen begrenzten Auftrag
und wollen lediglich den Flughafen ausbauen, weil wir auf Bedarf und
Nachfrage reagieren müssen. Wir haben einen begrenzten Auftrag. Für
die Auswirkungen gibt es andere Zuständigkeiten.
Man mag es nicht mehr
hören, aber es muss gesagt werden: die Kernkonflikte der
Weltwirtschaft sind ungelöst, ja noch nicht einmal stringent
erfasst. Der Konjunkturbericht der SZ titelt am vorletzten
Wochenende: „Im freien Fall“. Der Kerngedanke: Das Ende des
Abwärtstrends ist noch nicht erreicht. Im Radio höre ich dieser
Tage den Leiter des IFO-Institutes München, Herrn Sinn, sprechen:
„Es ist ein Blödsinn zu glauben (wörtlich), es gehe nach dem
Sommer wieder aufwärts.“ Und die SZ nimmt an diesem Wochenende zum
ersten Mal das Wort Rezession in die Hauptschlagzeile. Das BIP ist
schon das 3.Quartal hintereinander in den Miesen. Der Einbruch war
noch tiefer, als die ohnehin pessimistischen Volkswirte erwartet
haben. Deren Kommentare sprechen von (wörtlich) „Katastrophe“,
„Kollaps“, „Desaster“. Ist es da nicht fahrlässig, so zu
tun, als ob es immer fröhlich weiter aufwärts ginge?
Ich stelle den Antrag
auf einen Stopp der Berechnungen bis 2020, auf die sich die
Prognose von Intraplan und FMG heute noch berufen.
Weiters: Anfang des
Monats befasste sich die SZ mit der Finanzkrise und den Folgen für
den Airport München. Ergebnis: für das Gesamtjahr 2008 noch ein
leichtes Plus, wohl wegen des erfreulichen 1. Quartals, aber der
Trend geht steil nach unten Und gleichfalls Ende letzter Woche
beantragt die Lufthans Kurzarbeit und zwar gleich für 12 Monate. Das
betrifft das Bodenpersonal aber auch das Cockpit. Schön und
herzerwärmend, dass zugleich ab März die Führungskräfte und die
Vorstandsmitglieder der Lufthansa freiwillig auf einen Teil ihres
Gehalts verzichten.
Man mag es nicht mehr
hören, aber auch das muss gesagt werden, selbst wenn es die FMG
nervt: Wir alle müssen uns auf begrenzte Reserven der fossilen
Vorräte einstellen. Die wohlmeinenden Hochrechnungen der Vorkommen
und der Ausbeute von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas stehen
auf tönernen Füßen und grenzen an Selbstbetrug. Unter der
Überschrift: „Es reicht einfach nicht“(SZ 16.12.2008)zitiere ich
wörtlich: Selbst neue Funde können den Rückgang der Ölproduktion
allenfalls bremsen, keinesfalls aufhalten. Denn von den 48
wichtigsten Förderländern haben 33 ihr Fördermaximum bereits
hinter sich. Nur ein Beispiel: das Ölfeld Cantarell vor der
mexikanischen Küste zählt zu den größten der Welt, seine
Förderleistung bricht jedoch so stark ein, dass Mexiko
voraussichtlich in 5 Jahren kein Öl mehr exportieren kann. Zugleich
wächst jedoch der weltweite Energieverbrauch.“ Und weiter: „Selbst
Jörg Schindler vom seriösen Ludwig Bölkow Institut für
Systemtechnik, ein Optimist, vertritt die Auffassung: Nach 2015
werden wir für 2 Jahrzehnte in ein Loch fallen. Da werden sich
globale Fragen der Verteilung und Gerechtigkeit stellen.“ - Und wir
planen munter bis 2020 ins Irgendwo hinein, das Weitere wird sich
schon zeigen.
Die ständigen
Beschönigungen von Intraplan auf bunten Bildern an der Wand mag ich
denen nicht mehr abnehmen. Deren Behauptung heißt: Die Ölreserven
(incl. neu zu entdeckende Felder, rohe Felder, Gas)) würden bei
gleichem Verbrauch 45 Jahre reichen. Das ist angesichts der Realität
reine Augenwischerei. Was soll die Klausel: „bei gleichem Verbrauch
wie bisher“? China allein, habe ich irgendwo gelesen, plant z. Z.
200 neue Flughäfen.
Von der bedrängenden
Klimaproblematik will ich hier nicht reden, zu der der Flugbetrieb
nicht unwesentlich bei wachsendem Bestand beiträgt, das wissen Sie
so gut wie ich. Aber auch das schiebt die FMG vom Tisch: „Kein
Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens“, nicht unser Bier. „Wir
können nicht die ganze Welt retten“, sagt Dr. Gronefeld und setzte
gleich in den ersten Tagen nach dem Beginn dieses Verfahrens im
November hinzu: „Über das Weltklima unterhalten wir uns besser
abends bei einem Glas Wein.“
4. Wenn ein Heer
von Spezialisten bestimmt, wohin die Reise gehen soll…
Wir sind an dieser
Stelle an einem Punkt angelangt, der Grundfragen des Verfahrens und
der basale Wertentscheidungen betrifft. Die FMG will den Ausbau auf
Biegen und Brechen. Sie hält unbeirrt am „Planungsziel“ fest.
Meine Wahrnehmung hier im Ballhauszentrum ist: da sind lauter
Spezialisten am Werk. Spezialisten sind bekanntlich wief, sie kennen
ihr Metier aus dem ff. Aber sie sind auch Gefangene ihres
beschränkten Blicks und sind leicht geneigt, sich einzuigeln. Sie
geben Auskunft, wenn Probleme angefragt werden von
Grundwasserabsenkung, von Grundstücks- und Häuserbewertung, von
Prognosen, Rechtsfragen, Lärmschutz usf. und tauchen dann sogleich
wieder weg. Generalisten hingegen blicken weiter und strecken den
Kopf heraus. Ihnen ist klar: Ohne wirtschaftliche Entwicklung geht es
nicht. Aber bei wirklichen Zukunftsprojekten geht es nicht nur um
Wachstum und Selbstdurchsetzung. Es geht um Nachhaltigkeit und die
verlangt Augenmaß. Dennis Meadows, der einflussreiche amerikanische
Ökonom, hat Nachhaltigkeit ganz einfach ausgedrückt: „Eine
nachhaltige Gesellschaft kann über alle Generationen bestehen.“
Nachhaltigkeit heißt dann z. B.: Solidarität mit den Kindern und
der kommenden Generation, nicht nur angesichts der gigantischen
Schuldenberge, sondern auch angesichts einer hoch belasteten
Lebensregion. Nachhaltigkeit heißt auch: Fairness und Solidarität
mit weniger entwickelten Ländern, denn das ist eine Überlebensfrage
auch für uns. Nachhaltigkeit heißt schließlich: Solidarität mit
der Schöpfungsnatur. Alles das ist nicht nur ein moralisches
Postulat, wie man es gerne nachsichtig lächelnd abtut, sondern das
ist ein Gebot der Vernunft. Ohne Selbstbesinnung auf das, was wir tun
und auf die Folgen unseres Handelns, ohne Rechenschaft darüber vor
Mitmenschen, vor der Natur und Zukunft wird es nicht mehr weiter
gehen. Aber: „Alles keine Frage der Planfeststellung“ ?
Genau hier sehe ich den
wundesten Punkt des gesamten Unternehmens. Alles formal richtig, die
Antragstellung der FMG, die Gelegenheit zu öffentlichen und privaten
Einwendungen, die Anhörungen in geordnetem Rahmen, die Prüfung
durch die Regierung von Obb. Alles formal richtig im Verfahren.
Sachlich unanfechtbar ist auch die Belehrung von Herrn Büchner:
“Wir sind hier keine Politiker, wir sind die Verwaltung.
Allerdings ist mir bewusst, dass Sie niemand anderen haben, dem Sie
ihre Belange mitteilen können.“
Die ganze Sache mündet
in die Politik. Genau das ist der Prüfstein einer wirklich
funktionierenden Demokratie. Die Verbindung von der Verwaltung in die
Politik ist nicht transparent. Statt wirklich abzuwägen und zu
prüfen ist man. im politischen Betrieb allem Anschein nach schon
entschlossen, die Dinge durchzuziehen. Wie soll ich mir sonst die
Aussage aus dem Wirtschaftsministerium erklären „Warum soll ich
zur Demo am Flughafenzaun mit dem BR Fernsehen gehen? Die Startbahn
kommt so oder so“. Zusätzlich steckt aber nicht auch eine Portion
Chuzpe dahinter, wenn derselbe Wirtschaftsminister zugleich sein
eigenes Wohnrevier im Landkreis Fürstenfeldbruck sauber halten will.
Ist das wirtschaftliche Vernunft oder Populismus?
Zuletzt und am Ende
eine traurige Anekdote: Ein Mann sitzt im Vorortzug, schaut zu
Fenster hinaus und bei jeder Haltestelle seufzt er hörbar auf.
Fragen ihn die Mitreisenden: „Was ist Ihnen denn?“ Er sagt:„
Ich fahre in die falsche Richtung, aber es ist so schön warm hier.“
Was lernen wir daraus?
Die FMG und die Lufthansa halten an den Prognosen bis 2020 fest
obwohl sich die Dinge ändern und sich schon geändert haben. Nach
meinem Dafürhalten
fahren Sie im falschen Zug. Weil: es ist doch
so bequem. Man will jetzt noch schnell vollendete Tatsachen schaffen,
denn die Zeit rast. Aber, meine Herren: Ihnen läuft die Zeit
davon!
Uns aber bleibt ein
Scherbenhaufen. Sie sind dann weg. Aufräumen überlassen Sie
dann uns!
Dr. Wilhelm Albrecht