Anhörungsverfahren
zum geplanten Bau einer 3.Startbahn
Ballhausforum Unterschleißheim
Zusammenfasssung
der Wortmeldungen von Prof. Dr. MICHAEL BESCH
Hohenbachernstrasse
23
D-85402
Kranzberg
April
2009
Argumente
gegen die 3. Start- und Landebahn auf dem Flughafen München:
Zur Begründung
hierfür werden:
die dem Antrag der FMG auf Errichtung einer 3. Startbahn zugrunde
liegenden Luftverkehrsprognosen einer kritischen Analyse
unterzogen und
die Umwelt- und Klimabelastungen durch den steigenden
Flugverkehr aufgezeigt.
Gliederung:
1
Vorausschätzung der Luftverkehrsentwicklung für den
Flughafen
München
Der Antrag der Flughafen München GmbH (FMG) auf
Errichtung einer
3. Start- und Landebahn stützt sich
auf die „Luftverkehrsprognose 2020 für den Flughafen
München“ der Intraplan Consult GmbH.
Diese Luftverkehrsprognose wurde in zwei Schritten erarbeitet:
Die erste Fassung mit dem Basisjahr 2004 wurde 2006 dem inzwischen
genehmigten Raumordnungsverfahren beigefügt.
Für das nun laufende Planfeststellungsverfahren wurde im
Herbst 2007 die gleiche Prognose wieder eingereicht und lediglich um
ein „Supplement“ ergänzt, in dem eine
Fortschreibung auf das neue Basisjahr 2006 erfolgte und neue
Daten über die Wirtschaftsentwicklung und die Treibstoffpreise
für die Prognose bis 2020 verwendet wurden.
Ergebnisse der Vorausschätzungen für das Jahr 2020
Da die Prognosemethodik nicht geändert wurde und die neuen Daten
sich nicht wesentlich von denen vorher verwendeten unterscheiden,
liegen die Ergebnisse beider Prognosen eng beisammen. Deswegen wird
hier nur auf die Ergebnisse der fortgeschriebenen Prognose für
das Planfeststellungsverfahren eingegangen.
Vom Basisjahr 2006 ausgehend, werden für das Jahr 2020
auf dem Münchener Flughafen
eine Passagierzahl von 57,3 Millionen,
ein Luftfrachtaufkommen von 797.000 t
und insgesamt 607.000 Flugbewegungen
prognostiziert.
Mit dieser Bedarfsschätzung wird der Bau einer 3. Start- und
Landebahn begründet.
Dafür werden die Ergebnisse aus dieser sog. „engpassfreien
Prognose“ in einem sog. „Prognosenullfall“ mit der
Kapazitätsbeschränkung auf die beiden bestehenden Start-
und Landebahnen konfrontiert.
Die maximale Kapazität der beiden Bahnen wird in der
Neuberechnung zur Basis 2006 mit 42,8 Mill. Passagieren
angegeben. Somit könnten im Prognosezieljahr 2020 14,5 Mill.
Passagiere nicht in München befördert werden,
sondern müssten auf Konkurrenzflughäfen abwandern.
Dieser vorgerechnete „Wachstumsentgang“ soll der
Planfeststellungsbehörde die Notwendigkeit der Genehmigung
der 3. Start- und Landebahn nahe legen.
2 Kritik an der Luftverkehrsprognose für den
Flughafen München
Damit steht und fällt die vorgegebene Dringlichkeit des
Antrags der FMG auf Errichtung einer 3. Start- und Landebahn mit dem
Grad der Zuverlässigkeit der von der Intraplan Consult GmbH
vorgelegten Luftverkehrsprognose 2020 für den Flughafen München.
Deswegen soll hier eine kritische Überprüfung der
Methodik, der verwendeten Daten, der Berechnungsverfahren und der
Ergebnisse erfolgen, die sich auf die folgenden Bereiche
erstrecken wird:
Überprüfbarkeit des vorgelegten Materials,
Prognoseverfahren in Bezug auf Extrapolation und Basisperiode,
Verwendung von Daten zur Wirtschaftsleistung für die Prognose,
Bedeutung der Entwicklung der Treibstoffpreise und der Flugkosten
für die Prognoseergebnisse.
2.1 Überprüfbarkeit des vorgelegten
Materials
Wie bereits die Fachgutachterliche Stellungnahme zur
Luftverkehrsprognose 2020 für den Flughafen München, die
von der fdc Airport Consulting Offenbach/Main im Auftrag der
Schutzgemeinschaft Erding-Nord, Freising und Umgebung erstellt wurde,
anmerkt, lässt sich ein Teil der für die Prognose
verwendeten Methodik und Datenbasis nicht überprüfen, da
diese nicht veröffentlicht sind (a.a.O., S. 18 f.).
Das betrifft insbesondere die verwendete „Quelle-Ziel Matrix
2004“ zur Bestimmung des relevanten globalen
Luftverkehrsmarktes, die nur schematisch und verbal (Intraplan
Consult GmbH, 2006, S. 49 - 56) bzw. formelmäßig (a.a.O.,
Anhang 1) beschrieben wird, deren Rechenschritte aber nicht angegeben
werden.
Das gleiche gilt für die vom Prognostiker vorgenommenen
Fluggastbefragungen, die zur „Aktualisierung der für
den Flughafen MUC relevanten Matrixelemente“ verwendet werden,
wobei weder Stichprobenauswahl und -größe, Repräsentanz,
Befragungszeitraum, Fragebögen noch Ergebnisse mitgeteilt
werden.
Ebenso wenig dargelegt wurden Methodik und Rechengänge für
die im Teil A (2006, S. 118 – 124) und Teil B (2007, S. 308 –
315) durchgeführten „Sensitivitätsrechnungen“,
durch die u. a. die Wirkungen von 50 % Änderungen der
Kerosinpreise und eine Reduzierung der Wirtschaftsentwicklung für
Deutschland um 0,5 % abgegriffen werden sollten.
Trotz der dargestellten Mängel, die eine detaillierte
Überprüfung der von der Intraplan Consult GmbH vorgelegten
Prognoseergebnisse in den angesprochenen Bereichen nicht zulassen,
sind jedoch einige kritische Anmerkungen zur Vorgehensweise bei
der vorgelegten Luftverkehrsprognose möglich. Diese werden
nachfolgend aufgeführt.
2.2 Kritische Anmerkungen zu den verwendeten
Prognoseverfahren
Das von der Intraplan Consult GmbH verwendete Prognosemodell zur
Ermittlung der Passagierzahlen, Flugbewegungen und des
Luftfrachtaufkommens ist ein sehr komplexes zweistufiges Verfahren
(vergl. LVP, 2006, Kap. 3: „Methodik und Datengrundlagen“,
S. 48 – 76), das mit der schon erwähnten
„Quelle-Ziel-Matrix“ beginnt, die den gesamten
Reiseverkehr (Luftverkehr und übrige Verkehrsträger)
weltweit im Basisjahr 2004 in tiefer regionaler Gliederung
abbildet.
Diese Ausgangsbasis wird mit einer „Prognose der
flugunabhängigen Verkehrsentwicklung“ (a. a. O., S. 57
– 66) in das Zieljahr 2020 fortgeschrieben. Hierfür
werden eine Reihe von nachfragegebundenen Variablen wie
Einkommen, soziodemographische und psychologische Faktoren in tiefer
regionaler Gliederung verwendet, aber auch angebotsgebundene
Variablen wie Verkehrsangebote je Verkehrsmittel, Attraktivität
der Zielgebiete und Luftverkehrspreise. Die verwendeten Daten
entstammen – wie bereits angemerkt – teilweise
eigenen Erhebungen und öffentlichen Quellen.
Schließlich wird der Marktanteil von München an dem
ermittelten weltweiten Wachstum des Flugverkehrs durch Einsatz je
eines „Netzmodells Luft“ für das Basisjahr 2004
und das Zieljahr 2020 (a. a. O., S. 67 – 70) bestimmt.
Hierfür werden zumindest für das Basisjahr nachprüfbare
Daten bezüglich der gegenwärtigen Linien- und Charterflüge,
Anschlussflüge und des landgestützten Anschlussverkehrs
verwendet. Für das Zieljahr 2020 wird ein sog.
„Prognosemodell Luft“ aus dem Basismodell abgeleitet
und über zwei Prüfverfahren abgesichert. Aus diesen
Prognoseschritten ergeben sich die vorgelegten Ergebnisse für
das Zieljahr 2020 für den Flughafen München.
Die für das Planfeststellungsverfahren vorgenommene
Aktualisierung der Luftverkehrsprognose für 2020 auf
die Basis 2006 umfasst die folgenden Schritte:
Die „Quelle-Ziel-Matrix“ wird auf das Jahr 2006
fortgeschrieben.
Für die Prognose der Flugentwicklung werden neuere Daten für
die regionale Wirtschaftsleistung und die Treibstoffkosten
verwendet.
Die Berechnung der Prognosewerte für das Jahr 2020
erfolgt von der neuen Basis 2006 ausgehend.
Das geschilderte Verfahren, ausgehend von einer
Szenario-Plattform für das Basisjahr mithilfe
nachfragebeeinflussender Variablen für den Prognosezeitraum, die
teils eigenen unveröffentlichten Daten, teils externen Quellen
entstammen, ein zukünftiges Szenario für das
Prognosezieljahr vorauszuschätzen, ist in der Prognosetechnik
durchaus üblich. Im vorliegenden Fall müssen aber zwei
Punkte kritisch angemerkt werden.
Einmal ist das der lange Zeitraum von 16 bzw. 14 Jahren (2004
bzw. 2006 bis 2020) der sozusagen ohne Zwischenstockwerke mithilfe
externer Prognosedaten überbrückt wird. Gerade
angesichts des Prognosezweckes, der Planfeststellungsbehörde,
der Regierung von Oberbayern, die hinsichtlich des tatsächlichen
Bedarfs für eine dritte Start- und Landebahn einzige vorliegende
Entscheidungsgrundlage für die Verwendung von öffentlichen
Mitteln in Höhe von etwa 1 Mrd. Euro zu geben, wäre der
Einbau von mehreren Zwischenszenarien im Abstand von 4 bis 5
Jahren zwischen Basisjahr und Prognosezieljahr dringend
erforderlich gewesen.
Der zweite Einwand betrifft die von der Intraplan Consult GmbH
betriebene Prognosepraxis, die verwendeten nachfragebeeinflussenden
Variablen ohne sorgfältige Überprüfung des Einflusses
dieser Variablen auf die Prognosewerte in einer zurückliegenden
Basisperiode als determinierend für die Fortschreibung der
Luftverkehrsentwicklung im Prognosezeitraum zu verwenden.
Aufgrund dieser Unterlassung, die einer seriösen Prognosepraxis
widerspricht, war es auch nicht möglich, für die
nachfragebeeinflussenden Variablen Streuungen,
Wahrscheinlichkeitsbereiche und statistische Tests zu berechnen,
wodurch die prognostizierten Daten in einem
Wahrscheinlichkeitsbereich vorausgeschätzt hätten werden
können. Statt dessen wurden die Daten über die
Passagierzahlen, Flugbewegungen und Luftfrachtaufkommen über
einen Prognosezeitraum von 16 Jahren punktgenau in einer 100.000 bzw.
1000 t-Dimension für das Zieljahr 2020 angegeben; ein
Verfahren, das eher den Eindruck einer gezielten Projektion
macht, als den einer abwägenden, neutralen, alle
Unsicherheitsfaktoren bedenkenden und mit mehreren Alternativen
arbeitenden Prognose.
Welche Wirkung die Berücksichtigung von Alternativen für
die in der LVP verwendeten Prognoseprämissen auf das
Prognoseergebnis haben können, soll nachfolgend am Beispiel
der beiden nachfragebeeinflussenden Variablen Einkommen und Preise
gezeigt werden.
2.3 Nachfragebestimmende Prognoseprämissen
Einkommen und Preise
In der ökometrischen Nachfrageanalyse gelten die beiden
ökonomischen Variablen Einkommen und Preise als die
wichtigsten Bestimmungsfaktoren für die Entwicklung der
Nachfrage. Zur Bestimmung der mengenmäßigen Nachfrage,
wie es die nach Flugzeugsitzen und Frachtmengen darstellt, wird zur
Ausschaltung der allgemeinen Preisänderungen mit realen Daten
gerechnet.
Üblicherweise werden die der amtlichen Statistik entnommenen
Daten für die unabhängigen Variablen Einkommen und Preise
in ein Schätzmodell (etwa Methode der kleinsten Quadrate)
eingegeben, wobei zunächst für eine Basisperiode, die
mindestens so lang sein soll wie der vorgesehene Prognosezeitraum,
der Einfluss des Verlaufs dieser beiden exogenen Variablen auf die
Entwicklung der endogenen, von den beiden exogenen Variablen als
abhängig betrachteten, Nachfragevariable geschätzt wird.
Für die geschätzten Regressionskoeffizienten werden
Vertrauensbereiche berechnet, die ihre statistische Sicherheit gegen
Null angeben und die Abschätzung des Erklärungsbeitrags der
exogenen Variablen zur Veränderung der erklärenden Variable
Nachfrageänderung erlauben. Ebenso wird die Anpassung der
mithilfe der Regressionskoeffizienten berechneten Schätzfunktion
des gewählten Funktionstyps an die Ausgangszeitreihe der
Nachfrage mithilfe des Korrelationskoeffizienten gemessen, der in der
Regel als sog. Bestimmtheitsmaß B = r2 wiedergegeben
wird.
Diese Analyse der Basisperiode dient zur Überprüfung der
Güte und der Robustheit des multiplen Schätzmodells,
was durch Variation der Funktionstypen und der einbezogenen
erklärenden Variablen erreicht werden kann. Außerdem
werden die verwendeten statistischen Ausgangsdaten einer
eingehenden empirischen Prüfung auf Zuverlässigkeit
unterzogen sowie das gesamte aufgestellte und überprüfte
Schätzmodell einer strengen Plausibilitätsprüfung
unterworfen.
Vergleicht man die von der Intraplan Consult GmbH vorgenommene
Prognose der Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen mithilfe der
Entwicklung von vorausgeschätzten Daten der realen Einkommen und
Flugpreise mit dem eben kurz skizzierten Verfahren der
ökonometrischen Nachfrageanalyse und -prognose, so fällt
sofort der gänzliche Mangel einer Untersuchung der Basisperiode
auf. Stattdessen wird, ausgehend von einem statischen
Gesamtverkehrsmodell, der „Quelle-Ziel-Matrix 2004“ (LVP
2006, S. 53 – 56) bzw. ihrer Fortschreibung auf 2006 (LVP 2007,
S. 250), mithilfe exogener, sog. „flugunabhängiger“
Variablen die Prognose der „Quelle-Ziel-Matrix 2020“
vorgenommen. Parallel dazu wird ausgehend vom Marktanteil des
Flughafens Münchens 2004 bzw. 2006 der Marktanteil für 2020
vorausgeschätzt und daraus die Luftverkehrsentwicklung für
MUC 2020 abgeleitet.
Die für die Prognose benutzten Einkommens- und
Preiszeitreihen werden für die beiden Basisjahre 2004 und 2006
jeweils nur einer Quelle entnommen, ohne dass aus dem Text (LVP
2006, S. 53 – 56; LVP 2007, S. 261 – 266 und 269 –
286) ersichtlich wird, mit welcher Begründung gerade diese
jeweils eine Quelle herangezogen wurde und ob noch andere Quellen
geprüft wurden. Ein solches Verfahren widerspricht der
dargelegten sorgfältigen Prognosevorbereitung.
2.3.1 Langfristige Entwicklung der
Wirtschaftsleistung
Die zur Fortschreibung der „Quelle-Ziel-Matrix 2004“ bzw.
der aktualisierten Matrix 2006 auf das Zieljahr 2020 verwendeten
Einkommensdaten entstammen öffentlichen Quellen (LVP
2006, S. 78 – 80; LVP 2007, S. 262). Allerdings werden
keine direkten Pro-Kopf-Einkommen sondern aggregierte Größen
aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verwendet, die jedoch
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in der benötigten
regionalen Tiefe ausdrücken.
So wird das vorausgeschätzte Bruttoinlandprodukt (BIP) je
Kopf für die europäischen Länder sowie die
außereuropäischen Gebiete Veröffentlichungen der
EU-Kommission sowie der Weltbank entnommen, die lediglich als
durchschnittliche Wachstumsraten für den Zeitraum 2005 bis 2020
angegeben werden. Für eine feinere regionale Aufteilung
innerhalb Deutschlands und Bayerns wird die Bruttowertschöpfung
je Kopf für den Zeitraum 2006 bis 2020 verwendet, die einer
Prognose des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle
(IWH) entstammt (LVP 2007, S. 262 – 266).
Insgesamt ergeben sich zur Basis 2006 die folgenden Wachstumsraten
der für die regionale Wirtschaftsleistung relevanten Daten:
Deutschland + 1,8 % BIP/Kopf; Südbayern +2,4 % BWS/Kopf; EU +2,3
% BIP/Kopf; Welt +3,0 % BIP/Kopf (LVP 2007, a. a. O).
Obgleich diese unterstellten Wachstumsraten im Jahr 2006 durchaus als
moderat bezeichnet werden können, müssen sie angesichts der
jüngsten Entwicklung als vollkommen überholt gelten. Die im
Herbst 2008 eingesetzte globale Finanzkrise hat zu einer weltweiten
Wirtschaftskrise geführt. Somit werden die Prognosen zur Basis
2006 heute von keinem der Wirtschaftforschungsinstitute und
internationalen Institutionen mehr aufrecht erhalten.
Dagegen
haben sich die Vorhersagen seit Herbst 2008 von Monat zu Monat
verschlechtert und liegen gegenwärtig für das laufende Jahr
für Deutschland bei einem Rückgang von 6%, für die
Europäische Union bei einem Minus von etwa 4%, für die Welt
insgesamt wird ein Rückgang der Wirtschaftsleistung von 1-2%
erwartet.
Gegenwärtig ist eine langfristige Prognose des
Wirtschaftswachstums bis zum Jahr 2020 nicht möglich. Sicher ist
nur, dass die von der Intraplan Consult GmbH für die Prognose
des Passagieraufkommens für den Münchener Flughafen
unterstellten Wachstumsraten sehr fraglich geworden sind. Anhand von
Überschlagskalkulationen kann jedoch die Wirkung eines
abgeschwächten Wirtschaftswachstums auf die Prognoseergebnisse
zur Basis 2007 abgeschätzt werden.
Hierfür wird die von der Intraplan Consult GmbH durchgeführte
„Sensitivitätsrechnung zur Wirtschaftsentwicklung in
Deutschland“ als Kalkulationsgrundlage benutzt ( LVP 2006,
S. 121-122 ). Ziel dieser „Sensitivitätsrechnung “
ist es, die Wirkung einer um 0,5 Prozentpunkte höherer bzw.
niedriger Wirtschaftsleistung pro Jahr in Deutschland auf die
Prognose der Passagierzahlen bis 2020 abzugreifen. Diese Wirkung ist
vergleichsweise hoch, so reduziert eine um 0,5% geringeres Wachstum
allein in Deutschland den Zuwachs um 4,8 Millionen Passagiere oder
8,6% des Zielwertes von 55,8 Millionen.
Auch bei einem niedrigeren als
dem unterstellten Wirtschaftswachstum in Deutschland ist von hohen
Zuwachsraten im Luftverkehr am Flughafen München auszugehen.
Das Wirtschaftswachstum in
Deutschland betrifft nämlich nur einen Teil der Nachfrage
von/nach MUC. So sind nicht betroffen
die Ausland-Ausland-Umsteiger
über MUC,
die ausländischen
Privatbesucher in Deutschland,
Ausländer, z.B.
Österreicher, die ab München fliegen.
Diese Segmente werden im Jahr
2020 einen Anteil von rund 50 % der Nachfrage von/nach dem Flughafen
München haben.
(LVP, 2007, S. 122)
Bei der Interpretation der Ergebnisse wird eine bemerkenswerte
Information geliefert: 2020 wird der Ausländeranteil an den
ankommenden und startenden Passagieren 50 % (!) betragen.
Allerdings wird nichts über die Entwicklung des Ausländeranteils
während des Prognosezeitraumes gesagt, so dass auch eine
ansatzweise Abschätzung der Einkommenselastizität der
mengenmäßigen Nachfrage nicht möglich ist.
Warum lediglich eine Reduzierung des Einkommenswachstums um 0,5
Prozentpunkte nur für Deutschland vorgenommen wurde und nicht
für alle Herkunftsgebiete, wird nicht begründet. Hier
drängt sich der Verdacht auf, dass diese ungewöhnliche
Vorgehensweise erfolgte, um das erwartetet Gesamtergebnis zu
reduzieren. Würde man nämlich bei einem unterstellten
Ausländeranteil von 50% die Reduzierung des Einkommenswachstums
auf alle Herkunfts- und Zielgebiete ausweiten, würde der
hypothetische Rückgang das Doppelte betragen.
So würde bereits eine
Verringerung um 25 % der unterstellten Zuwachsraten für die
Wirtschaftsleistung je Kopf in allen für den Flughafen München
relevanten Regionen – bei dem von der Intraplan Consult
GmbH errechneten Elastizitätskoeffizienten von 2,1 – die
angegebenen Zuwachsraten im Luftverkehr um 17,2% bzw. 9,6 Millionen
Passagiere reduzieren.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt man, wenn man die
Einkommenselastizität (also den Koeffizienten, der das
Verhältnis von Einkommensänderung zur Nachfrageänderung
misst) im Zeitablauf nicht als konstant vorgibt, sondern –
wie in der Nachfrageanalyse üblich – vom Prinzip der
Sättigung bei steigenden Mengen ausgeht. So müsste man
im Prognosezeitraum mit abnehmenden Einkommenselastizitäten
rechnen und käme bei einer angenommenen Halbierung des
Elastizitätskoeffizienten bis 2020 ebenfalls zu einer
Reduzierung der Zuwachsraten um ein Viertel.
Beide Änderungen sind überdies kombinierbar und addieren
sich in der Wirkung. In diesem Fall würde die mit 42,8 Mill.
Passagieren angegebene Kapazitätsgrenze der zwei vorhandenen
Start- und Landebahnen auf dem Flughafen München erst im
Prognosezieljahr 2020 erreicht.
Das war nur ein Beispiel, das zeigen sollte, wie stark sich
die Prognoseergebnisse ändern, wenn man die unterstellten
Prämissen variiert.
Genauere Werte kann jedoch nur eine umfassende und fundierte
Prognose der für 2020 zu erwartenden Passagierzahlen,
Frachtmengen und Flugbewegungen auf dem Flughafen München
liefern, die nicht nur verschiedenen Varianten der
Wirtschaftsentwicklung sondern auch die künftige
Flugkostenentwicklung einschließlich der Kosten für einen
kommenden Emissionshandel für den Flugverkehr in das Modell mit
einbezieht.
2.3.2
Bedeutung der Entwicklung der Treibstoffpreise und der Flugkosten für
die Prognoseergebnisse
Im Fall der Treibstoffpreise wird bei der Prognose der Intraplan
Consult GmbH in beiden Prognoseansätzen, für das Basisjahr
2004 und für das Basisjahr 2006, mit gleich bleibenden
Realpreisen für Rohöl und damit für Kerosin bis zum
Prognosezieljahr 2020 gerechnet. Ebenso wird ein gleich
bleibender Anteil des Treibstoffes von 20 % an den Gesamtkosten
unterstellt. Darüber hinaus wird angenommen, dass die übrigen
Kostenbestandteile, incl. der zu erwartenden Kosten für den
kommenden Emissionshandel durch Produktivitätssteigerungen
aufgefangen werden können, so dass über den gesamten
Prognosezeitraum mit konstanten Kosten und damit gleichbleibenden
Realpreisen im Luftverkehr gerechnet werden kann. (Vergl. LVP
2006, S. 87 – 89 und LVP 2007, S. 269 – 286.)
Durch diese gewagte und inzwischen von der Entwicklung der
Rohölpreise überholte Annahme wurde der Einfluss von
Preisänderungen auf das Prognoseergebnis vollständig
ausgeschaltet. Die Nachfrage nach Flugleistungen (Personen- und
Frachtverkehr) wird in diesem Prognosemodell nur noch von der
Wirtschaftsentwicklung und den verwendeten soziodemographischen
Variablen, die aus eigenen unveröffentlichten Befragungen
stammen und daher nicht überprüft werden können,
bestimmt.
In der Prognose für das Raumordnungsverfahren zur
Basis 2004 wurde ein konstanter Realpreis von 40 US $ je
Barrel Rohöl bis 2020 unterstellt; eine Vorausschätzung,
die von der International Energy Agency (IEA) der OECD vorgenommen
wurde (LVP, 2006, S.87). Für die aktualisierte Prognose
für das Planfeststellungsverfahren zur Basis 2006 wurde
dann eine Vorausschätzung der US Energy Information Administry
(EIA) übernommen, die als mittlere Variante einen konstanten
Ölpreis von 50 US $ je Barrel bis 2020 angibt (LVP, 2007, S.
272).
Auch hier muss der Vorwurf wiederholt werden, dass, ausgehend
von jeweils nur einem Basisjahr (2004 bzw. 2006) die Prognose
mithilfe von übernommenen nachfragebeeinflussenden Variablen
– hier der Rohölpreise – über einen Zeitraum
von 16 bzw. 14 Jahren in einer Trendextrapolation ohne Varianten
fortgeschrieben wurde. Ebenso unterblieb eine Untersuchung der
Entwicklung dieser Variablen in einem zurückliegenden
Basiszeitraum.
Das spezielle Vorgehen in diesem Fall, trotz einer Steigerung der
übernommenen Rohölpreise von 40 (2004) auf 50 US $ je
Barrel (2006), d. h. um genau 25 % des Ausgangswertes in zwei
Jahren (!), weiterhin mit einem konstanten Realpreis bis 2020 zu
rechnen (!), kann nur als abenteuerlich bezeichnet werden und
verspielt die Glaubwürdigkeit der von der Intraplan Consult
GmbH erarbeiteten Prognose!
Dabei hätte bereits ein kurzer Blick auf die Entwicklung der
Weltmarktpreise für Rohöl, die überall zugänglich
ist und bspw. im Wirtschaftsteil der „Süddeutschen
Zeitung“ vom 22.11.2007 als Grafik für die Zeit von 1957
bis 2007 veröffentlicht wurde, gezeigt, dass sich seit
Eröffnung des neuen Münchener Flughafens im Erdinger Moos
1992, wo das Rohöl noch für knapp 20 US $ je Barrel zu
haben war, bis Ende 2007, wo der Rohölpreis die 100 Dollarmarke
beinahe erreicht hat, der Weltmarktpreis für Rohöl in
diesen 15 Jahren genau verfünffacht hat!
Dieser Anstieg setzte sich 2008 bis in den Sommer hinein fort, wo
der Ölpreis mit 147 US $ je Barrel den bisher höchsten
Stand erreicht hat. In Folge der globalen Finanz- und
Wirtschaftskrise ist der Ölpreis in der zweiten Jahreshälfte
dann wieder sehr schnell gefallen, erreichte gegen Jahresende einen
Tiefstand von weniger als 40 US $ und pendelt gegenwärtig bei 50
Dollar.
Langfristig muss jedoch – aufgrund des Missverhältnisses
zwischen steigender Nachfrage vor allem seitens der Schwellenländer
und den begrenzten Möglichkeiten einer Angebotssteigerung in den
Förderländern – weiterhin mit steigenden Ölpreisen
gerechnet werden.
In dem am 12. November 2008 vorgelegten neuesten „World
Energy Outlook 2008“ der Internationalen Energie Agentur der
OECD wird eindringlich vor der kommenden Energieknappheit,
bedingt durch die sinkende Förderung der bisher erschlossenen
Felder, gewarnt. Bis zum Prognosezieljahr 2030 wird der
globale Ölverbrauch von gegenwärtig 85 Millionen
Barrel auf 106 Millionen Barrel pro Tag steigen. Schon von
2010 an werden aber nur noch die OPEC-Länder die Produktion
steigern können, aber auch sie kämpfen gegen den Rückgang
der Ölausbeute aus den existierenden Feldern. Bereits 2015
könnte es zu einer ersten weltweiten Versorgungskrise bei Rohöl
kommen ( IEA, WEO 2008, S. 26 ff ).
Diese Projektionen beruhen auf der Annahme eines durchschnittlichen
Importpreises der IEA Länder von 100 US $ pro Barrel Rohöl
( in konstanten Preisen des Jahres 2007 ) im Zeitraum 2008 bis
2015. Dieser Preis wird bis 2030 auf über 120
US $ real ( 200 US $ nominal ) anziehen. Insbesondere für
die Zeit nach 2015 muss mit steigenden Preisauftriebstendenzen
infolge steigender Grenzkosten der Ölversorgung gerechnet
werden ( IEA, WEO 2008, S 6/7 ). Selbst wenn Marktungleichgewichte
zu vorübergehenden Preisrückgängen führen können,
ist nach Auffassung der Internationalen Energie Agentur der OECD die
Zeit des billigen Öls endgültig vorüber.
Im Prognosezieljahr 2030 würden nach Schätzung der
IEA ( WEO 2008, S. 10 ff ) nur noch 42 Mill. Barrel aus den heute
bekannten konventionellen Ölfeldern stammen. Die übrigen
zur Deckung des Tagesbedarfs von 106 Mill. Barrel in 2030
benötigten 64 Millionen müssten aus noch zu
erschließenden Ölquellen geliefert werden. Allerdings
und dass ist ein dringendes Anliegen der IEA, würde ein weiterer
Verbrauchsanstieg von fossilen Brennstoffen die Erdatmosphäre
bis Ende des Jahrhunderts um sechs Grad erhöhen, was nach
Meinung des Intergovernmental Panel on Climate Change ( IPCC ) der
UNO den planetaren Notstand herbeiführen würde (
IEA, WEO 2008, S 3 ).
Die Internationale Energie Agentur schätzt den globalen
Investitionsbedarf, der einerseits zur Sicherung der
Energieversorgung benötigt wird, andererseits den Anstieg
der globalen Erwärmung durch Förderung alternativer
Energien und eine drastische Reduzierung des CO2-Ausstoßes
fossiler Brennstoffe auf erträgliche zwei Grad
beschränken soll, auf insgesamt 26 Billionen Euro (
IEA,WEO 2008, S.6 . )
Somit erweist sich die der Prognose
der Luftverkehrsentwicklung auf dem Flughafen München zugrunde
liegende Erwartung, dass bis zum Jahr 2020 und auch noch danach
Mineralölprodukte in ausreichender Menge und zu niedrigen
Preisen zur Verfügung stehen, als illusorisch und kann nicht
länger zur Bedarfsbegründung für eine 3. Start- und
Landebahn auf diesem Flughafen herangezogen werden.
Luftverkehr und Umweltbelastung
2.4 Der Beitrag der Luftfahrt zur globalen
Erwärmung
Sicherlich hat die Schutzbehauptung der Flughafenbetreiber und der
übrigen an der Luftfahrt interessierten Kreise, der Luftverkehr
erzeuge nur 2 - 3 % des weltweiten Kohlendioxydausstoßes,
den Luftverkehr zumindest zeitweise aus der öffentlichen
Aufmerksamkeit bei der Bekämpfung der klimaschädlichen
Emissionen herausgehalten. Dabei stellt diese Aussage eine der
typischen Halbwahrheiten dar, die aber allmählich
durchschaut wird. Denn die übrigen Verkehrsteilnehmer, die
gewerblichen Betriebe und die Haushalte stoßen ihre
Verbrennungsabgase im erdnahen Bereich aus, wo sie von Pflanzen
aufgenommen und in den Boden eingetragen werden und nur zu einem
Anteil von etwa einem Drittel in die Atmosphäre gelangen.
Dagegen setzen die Flugzeuge ihre Abgase direkt in die Atmosphäre
ab, wobei die gesamte Klimaschädigung des Flugverkehrs
nicht nur auf dem CO2-Ausstoß sondern auch noch auf den übrigen
Emissionen beruht. So wirken die Kondensstreifen, Russpartikel,
Aerosole und Stickoxyde, die von den Triebwerken ausgestoßen
werden ebenfalls als Treibhausgase, so dass der Luftverkehr für
etwa 10 % der globalen Erwärmung mit steigender Tendenz
verantwortlich ist.
Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes über die
Schadstoffemissionen einzelner Verkehrsträger erweist sich in
der Tat das Flugzeug mit großem Abstand als der Klimakiller Nr.
1. So werden bei einer Flugreise unter Berücksichtigung
aller klimawirksamen Effekte pro Personenkilometer 369 Gramm
Kohlendioxydäquivalente freigesetzt, wozu noch 1,062 Gramm
sonstige Schadstoffe kommen. ( Dieser gesamte klimawirksame Effekt
des Luftverkehrs errechnet sich lt. Intergovernmental Panel on
Climate Change durch Multiplikation des direkten CO2-Ausstoßes
von 3,15 kg pro kg verbranntem Kerosin mit dem Radiation Forcing
Index von 2,7 . ) Dagegen setzt der PKW pro Personenkilometer nur 144
g CO2, die Eisenbahn im Nahverkehr nur 95 g, im Fernverkehr nur 52 g
CO2 frei, wozu noch 1,929; 0,444 bzw. 0,101 g sonstige Schadstoffe
kommen.
Das heißt aber nichts anderes, als dass der Flugverkehr pro
Personenkilometer mehr als das Zweieinhalbfache zur globalen
Erwärmung beiträgt als der viel geschmähte PKW und
beinahe das Vierfache als der Nahverkehrszug und gar mehr als das
Siebenfache als der Fernverkehrszug!
2.5 Auswirkung der 3. Start- und Landebahn auf
die Erhöhung des Aus-
stoßes klimaschädlicher Gase
und der Widerspruch zur Klimaschutz-
politik der Bundesregierung
Aus
dem Vergleich dieser Zahlen ergibt sich die besondere Tragweite einer
Entscheidung für die Errichtung einer dritten Start- und
Landebahn auf dem Münchener Flughafen, welche die Anzahl der
Flugpassagiere nach der revi-dierten Prognose der Intraplan Consult
GmbH 2020 gegenüber dem „Progno-senullfall“ mit nur
2 Start- und Landebahnen um 14,5 Mill. erhöhen würde.
Teilt man diese 14,5 Mill. nach der revidierten Prognose auf die
angegebenen Zielgebiete auf, so würden 7,3 Mill. (=
50,3 %) einen Interkontinentalflug, 6 Mill.
(= 41,4 %) einen
innereuropäischen und 1,2 Mill. (= 8,3 %) einen innerdeut-schen
Flug antreten oder beenden. Rechnet man für einen
Interkontinentalflug durchschnittlich 7.500 km, für einen
Europaflug durchschnittlich 1.500 km und für einen Inlandsflug
durchschnittlich 500 km, so ergibt das einen zusätzlichen
CO2-Ausstoß von
(369g/km x 7.500km x 7,3 Mill. Passagiere) = 20,203 Mill. t
+ (369g/ km x 1.500 km x 6 Mill. Passagiere) = 3,321 Mill. t
+ (369g/km x 500 km x 1,2 Mill. Passagiere) = 0,221 Mill. t bzw.
insgesamt für alle zusätzlich mit der 3. Start- und
Landebahn beförderten Passagiere von zusammen fast 24 Mill. t
(23,745 Mill. t) des Klimagiftes Kohlendioxyd.
Konsequenzen aus den erhaltenen Ergebnissen
und Forderungen an die politischen Entscheidungsträger
2.6 Konsequenzen, die sich aus den
Unzulänglichkeiten der Luftverkehrsprognose der Intraplan
Consult GmbH ergeben
Der erste grundlegende Kritikpunkt an der vorgelegten Prognose
besteht darin, dass wesentliche prognoseentscheidende Datensätze
und Methoden nicht veröffentlicht und damit nicht allgemein
zugänglich sind.
Ein zweiter mehr prognosetechnischer Kritikpunkt richtet sich
gegen die Methodik der vorgelegten Luftverkehrsprognose,
lediglich ein Szenario des globalen Verkehrs zum Basisjahr 2004 (bzw.
2006 im Supplement) vorzulegen (das zudem nicht veröffentlicht
wird) ohne eine Analyse einer weiter zurückreichenden
Basisperiode vorzunehmen, deren Länge dem Prognosezeitraum
entsprechen sollte.
Der dritte Kritikpunkt richtet sich dagegen, dass, aufbauend
auf diesem Basisszenario, die Fortschreibung mit Hilfe sog.
„nachfragebeeinflussender Faktoren“ erfolgt, die zum Teil
aus den nicht veröffentlichten Passagierbefragungen stammen, zum
Teil externen Quellen entnommen wurden. Hierbei wurden lediglich für
die Variablen für die Wirtschaftsentwicklung (BIP/Kopf
bzw. BWS/Kopf) gleichbleibende Zuwachsraten unterstellt. Bei
den Preisvariablen (Rohölpreise, Kerosinpreise,
Flugpreise) wurden dagegen zweimal, sowohl zur Basis 2004 als
auch zur Basis 2006, konstante Realpreise bis 2020 unterstellt.
Somit muss der sich auf konstante Rohöl-, Kerosin- und
Flugpreise im Verlauf des Prognosezeitraumes berufende Teil der
Prognose – der damit einen Preiseinfluss auf die Nachfrage
nach Luftverkehrsleistungen im Prognosemodell ausschaltet –
komplett verworfen werden.
Stattdessen muss mit weiter steigenden Preisen für
Rohöl und damit auch Kerosin gerechnet werden, was einen
dämpfenden Effekt in Abhängigkeit von Umfang und Stetigkeit
der Preissteigerungen und der Preiselastizität der Nachfrage auf
die Zunahme der Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen haben wird.
Insgesamt kann auf Basis dieser 2006 und 2007 von der Intraplan
Consult GmbH vorgelegten Prognose das für das Zieljahr 2020 für
den Flughafen München zu erwartende Aufkommen an
Flugpassagieren, Flugbewegungen und Luftfracht nicht mit der nötigen
Sicherheit abgeleitet werden, die für die Entscheidung über
eine öffentliche Investition in Milliardenhöhe für
eine 3. Start- und Landebahn erforderlich ist.
Wir
verlangen daher von der Regierung von Oberbayern als
Planfeststellungsbehörde, dass das Planfeststellungsverfahren
unterbrochen wird und weitere Gutachten herangezogen werden, die
insbesondere die künftige Erdölpreisentwicklung und auch
den Beitrag des Luftverkehrs zur Klimaveränderung durch seinen
hohen Schadstoffausstoß in großen Höhen in die
Vorhersage einbeziehen.
Denn
das ist der entscheidende Vorwurf, der den von der Intraplan Consult
GmbH vorgelegten Luftverkehrsprognosen zu machen ist, dass nämlich
die beiden epochalen Strukturbrüche, die sich 2006/2007 ereignet
haben, eben das Erreichen des Weltfördermaximums bei
konventionellem Erdöl und die öffentliche Einsicht in die
Bedrohlichkeit der globalen Erderwärmung, die wesentlich von den
Emissionen der Verbrennungsprozesse von fossilen Brennstoffen
verursacht wird, in ihren tief greifenden Auswirkungen und
politischen Folgerungen in keiner Weise berücksichtigt wurden.
2.7 Forderungen, die sich aus der
Klimaschädlichkeit des Flugverkehrs ergeben
Die
politischen Entscheidungsträger für den Bau einer dritten
Start- und Landebahn auf dem Flughafen München, nämlich die
Regierung von Oberbayern als Planfeststellungsbehörde sowie die
Bundesregierung, die Bayerische Staatsregierung und die Stadt München
als Anteilseigner der antragstellenden FMG werden aufgefordert, den
Widerspruch aufzulösen, der sich aus dem Beschluss der
Bundesregierung ergibt, bis zum Jahr 2020 eine Reduzierung des
Kohlendioxydausstoßes in der Bundesrepublik zur Basis 1990 um
40 % anzustreben, gleichzeitig aber dem Flughafen München bis
zum gleichen Zieljahr 2020 eine massive Erhöhung der
Passagierzahlen, der Flugbewegungen und der Frachtmengen zu
betreiben.
Welche enormen Probleme der rasante Zuwachs der Passagierzahlen und
der Flugbewegungen auf dem Flughafen München für die
Realisierung des beschlossenen Klimaschutzziels der Bundesregierung,
den Kohlendioxydausstoß in Deutschland bis 2020 auf 60 % des
Standes von 1990 zu senken, mit sich bringt, zeigt der Vergleich der
Passagierzahlen und der Flugbewegungen seit der Eröffnung des
Flughafens 1992 bis 2006 und mit den Ergebnissen der revidierten
„engpassfreien Prognose“ für 2020.
Lt. Statistik der FMG wurden im Jahr 1992 12 Mill. Passagiere und
192.000 Flugbewegungen auf dem Flughafen München gezählt.
2006 wurden 30,8 Mill. Passagiere abgefertigt und 411.000
Flugbewegungen durchgeführt. Bis 2020 soll nach der revidierten
„engpassfreien Prognose“ die Zahl der Passagiere auf 57,3
Mill. und die Zahl der Flugbewegungen auf 607.000 steigen.
Das bedeutet aber seit 1992 eine Erhöhung der – wie
gezeigt, im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern wie Auto oder
Fernzug 2,5 bzw. mehr als 7 mal pro Passagierkilometer so
klimaschädlichen – Flugbewegungen auf mehr als das
Dreifache (316 %) und der Passagierzahlen auf beinahe das Fünffache
(477 %).
Hier
kann nur ein schnelles und massives Gegensteuern in der
Verkehrspolitik helfen, die erklärten Klimaschutzziele der
Bundesregierung bis zum Jahre 2020 tatsächlich zu erreichen!
Insbesondere
sollte die Forderung aus der „Luftverkehrsstudie 2007“
des Wuppertal Instituts (Wuppertal, April 2008), aus
Klimaschutzgründen eine Verlagerung der Kurzstreckenflüge
auf die Schiene anzustreben, von den politischen Entscheidungsträgern
unterstützt werden. Hieraus ergibt sich eine umwelt- und
verkehrspolitische Handlungsalternative: Statt der Errichtung einer
3. Start- und Landebahn sollte die fehlende Fernbahnanbindung des
Münchener Flughafens hergestellt werden, damit dieser direkt für
alle Fernzüge(Regional-, IC- und ICE-Züge) erreichbar wird
und so entsprechende Kurzstreckenflüge entfallen können.
Prof.
Dr. Michael Besch