Ansprache von Dekan Jochen Hauer
zum Lichterzeichen - Schweigegang in der Innenstadt von Freising
am 23.11.2008
Zukunft aus der
Vergangenheit gestalten?
Lk. 9,61 und 62
Liebe Mitchristinnen
und Mitchristen,
"Unsere Initiative
hat das Ziel, einen aktiven Beitrag zu leisten zur Bewahrung der
Schöpfung in unserer Heimat und in der ganzen Region im Herzen
Altbayerns". – so steht es auf unserer Homepage.
Wir tun dies ganz
bewusst als Christinnen und Christen.
Also als Menschen, die
Jesus Christus nachfolgen.
Für uns ist Nachfolge
auf dem Weg Jesu nicht nur eine Frage der inneren Einstellung.
Das Beispiel Jesu
fordert uns vielmehr auch auf, Verantwortung zu übernehmen.
Für die Menschen, die
in unserer Region leben – und auch künftig noch gerne leben
sollen,
für die Schöpfung in
unserer Region – die nicht uns gehört, sondern die wir von Gott,
den wir als den Schöpfer ller Dinge glauben, anvertraut bekommen
haben. Nicht nur, um sie zu bebauen, sondern auch, um sie zu
bewahren.
Darum setzen wir
gemeinsam in der Aktion "Lichterzeichen – 2 Bahnen reichen" mit
unserem Sonntagsgebet ganz bewusst ein öffentliches, ein politisches
Zeichen gegen den beabsichtigten Bau einer 3.Start- und Landebahn am
Flughafen München.
Im Lukas-Evangelium
sind eine Reihe kurzer Gespräch Jesu über die Nachfolge auf seinem
Weg überliefert.
Eines dieser Gespräche
lautet so:
61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir
nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von
denen, die in meinem Haus sind. 62 Jesus aber sprach zu ihm:
Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht
geschickt für das Reich Gottes. (LK.9,61.62)
Ganz klar, bei der
Frage um die 3.Startbahn geht es nicht um das Reich Gottes. – Das
müssen wir bei allem Engagement klar unterscheiden.
Zumal, wenn wir daran
glauben, dass das Reich Gottes in seiner ganzen Herrlichkeit und
Gerechtigkeit erst am Ende der Zeit aufscheinen wird.
Allerdings, Jesus
selber hat gesagt, dass das Reich Gottes schon im Hier und im Jetzt
beginnt. Oft im Kleinen, im Unscheinbaren. Dort, wo Menschen wieder
heil werden, wo Verhältnisse geheilt werden, wo neues Leben möglich
wird.
Das Reich Gottes
beginnt also überall dort, wo Gottes Wille Wirklichkeit wird.
Deshalb ist unbedingt
notwendig, dass wir uns bei einem Projekt wie der 3.Startbahn
gründlich fragen, ob dieses Projekt mit dem vereinbar ist, was wir
bisher von Gottes Willen zum Leben verstanden haben.
Und, wie wir seinem
Willen entsprechend handeln.
Da lese ich in diesem
kurzen Gespräch Jesu den Satz: "Wer seine Hand an den Pflug legt
und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes."
Und mir geht auf: Das
passt doch auch für die Argumentationsweise der Befürworter der
3.Startbahn.
Womit wird ihre
Notwendigkeit denn begründet?
Mit nichts anderem als
mit dem Blick zurück.
Flugbewegungen,
Passagiere, alles Zahlen aus der Vergangenheit werden einfach in die
Zukunft hinein verlängert und als gesicherte Prognose dargestellt.
Ist das verantwortlich?
Kerosinpreise aus der
Vergangenheit werden für eine vorausgeplante mögliche Auslastung
der Bahnen zu Grunde gelegt.
Ist das nüchternes
wirtschaftliches Denken?
Oder ist es etwas
anderes?
Das Wort Jesu entlarvt
ein solches Denken, das meint, aus der Vergangenheit die Zukunft
gestalten zu können.
Denn wer beim Pflügen
zurückschaut, der kann nur krumme Furchen pflügen.
Weil ihm der Blick
zurück den klaren Blick nach vorne verschließt.
Man kann die Zukunft
nicht mit der Vergangenheit gestalten.
Auch nicht die Zukunft
des Flughafens.
Zahlen, Erfahrungswerte
sind wichtig bei einer Planung. Unbestritten.
Weil sie eine
Entwicklung zeigen können.
Aber so zu tun, als ob
diese Entwicklung einfach unbegrenzt und vollständig in die Zukunft
verlängert werden kann, das birgt doch, um im Bild zu bleiben, eine
erhebliche Gefahr, dass die Furchen krumm werden;
die Entwicklungslinie
nicht linear ansteigt, wie man gerne behauptet, sondern zu einer
Kurve wird, zum Sinkflug.
Es sei denn, mein
Zukunftsdenken hat nur eine Zeitspanne von ein paar Jahren im Blick.
Weil ich nicht weiter denken kann oder will.
Oder zumindest in der
Öffentlichkeit keine Aussagen dazu machen will.
Dann aber, liebe
Mitchristinnen und Mitchristen, dann frage ich:
wenn die Betreiber
selber keine fundierte, längerfristige Zukunftsperspektive haben,
sie vielleicht auch gar nicht haben können,
ist es dann zu
verantworten, solche massiven Eingriffe in die Lebensqualität und
die Gesundheit der Menschen und in den Reichtum und die Schönheit
der Schöpfung vorzunehmen?
Die 3.Startbahn kann ja
nicht einfach eingerollt und in die Ecke gestellt werden, wenn sich
herausstellt, dass sie gar nicht nötig war.
Wenn sie da ist, ist
sie da. Für Jahrzehnte.
62 Jesus aber
sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück,
der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
Und wir?
Haben wir den Blick
frei? Oder sind wir selber auch gefangen von dem Blick zurück?
Von den Feindbildern,
die sich im Laufe der Jahre entwickelt haben.
Von einer Ideologie,
die selber die Zukunft aus der Vergangenheit angehen will?
Rechnen wir damit, dass
Menschen sich ändern können und geben wir ihnen dazu auch die
Chance?
Sehen wir auch in den
Befürwortern der 3.Startbahn, einschließlich der Verantwortlichen
bei der FMG, Menschen, denen Gottes Zuwendung in gleicher Weise gilt
wie uns?
Sind wir selber bereit,
uns zu ändern. Im Blick auf eine Zukunft, die die Veränderung des
Lebensstils fordert.
Unseres Lebensstils.
Also auch unser
Mobilitätsverhalten. Das vielleicht bestimmt wird von Träumen der
Vergangenheit.
62 Jesus aber
sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück,
der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
Hören wir die Aussage
Jesu im Blick auf die 3.Startbahn.
Hören wir sie aber
auch im Blick auf uns selber.
Christsein heißt nicht
nur, christliche Traditionen zu pflegen, sondern heißt auch,
Christus auf dem Weg in die Zukunft nachzufolgen.
Wegzeichen und
Entscheidungskriterien sind seine Worte und seine Taten.
Weil er mit uns
mitgeht, können wir auch das Risiko auf uns nehmen, gegen den Strom
zu schwimmen.
In einer Welt, die
unsicher ist, was kommt, die an sich selbst zu ersticken droht und
immer weniger Hoffnung vermittelt, können wir, Christinnen und
Christen durch unser Beispiel Signale der Hoffnung setzen.
Und wir bekommen den
Mut, uns auch selber in Frage zu stellen, um neue Antworten für uns
und die Verlegenheiten unserer Welt zu finden.
Darum, setzen wir ein
Zeichen:
Wagen wir neue Entwürfe
für die Zukunft.
Amen
Gebet:
Vater unser
Segen
Dekan Jochen Hauer