Predigt von Hochschulseelsorger Franz Heilmeier
zum Radwallfahrt-Gottesdienst in Maria Thalheim
am 11.07.2009
Radsternfahrt
am 11. Juli 09 – Predigt beim Gottesdienst in Maria Thalheim
Liebe
Mitchristen,
liebe
Freunde im Abwehrkampf gegen den Flughafenausbau,
am letzten
Samstag war in Freising ein Gespräch mit Vertretern der Leitung des
Erzbistums München und Freising über den Widerstand gegen die 3.
Startbahn. Dabei haben Sie, Herr Binner, auch aus der Zeit des
Flughafenbaus erzählt.
Der
damalige MB Franz Josef Strauß soll einmal gesagt haben, dass man
den Flughafen am besten in das Erdinger Moos baut, weil dort eine
brave christliche Landbevölkerung wohnt.
Daher kann
man damit rechnen, dass der Bau sicher auf weniger Widerstand stößt
als wenn der Flughafen woanders gebaut wird.
Nun gehen
die Meinungen über Strauß weit auseinander, aber in einem ist man
sich parteiübergreifend wohl einig: Blöd war er nicht. Er wusste
sehr genau, wie die verschiedenen Bevölkerungsgruppen ticken und wer
sich wie verhält.
Die
Christen, das sind demnach im Normalfall Menschen, die eher zuerst
zum Pfarrer, zum Bürgermeister oder zum Lehrer gehen und fragen, ob
sie denn das tun dürfen, was sie eigentlich für richtig halten und
was sie gerne tun würden.
Und wenn
sich dann diese Autoritäten aus Kirche, Politik und Gesellschaft
untereinander einig sind und sagen: "Nein, Du Christenmensch, das
darfst Du nicht tun. Du würdest damit Deine Christen- und
Bürgerpflichten verletzen.", dann seufzt der normale Christ
vielleicht kurz auf, schickt ein kurzes Stoßgebet zum Himmel, geht
dann wieder an seine Arbeit und vertraut darauf, dass das schon alles
seine Richtigkeit hat.
Christen,
so kalkulieren Machtmenschen immer wieder, sind Menschen, die nicht
so schnell aufmucken,
Menschen,
die sich mehr gefallen als andere Bevölkerungsgruppen.
Man sieht
zwar in den Machtzentren, dass wir immer noch viele sind. Deshalb
hält man die christliche Bevölkerung und die Kirchen etwas bei
Laune, aber in der Hoffnung, dass wir dann weiterhin still halten.
Aber: Ich
habe den Eindruck, dass sich das verändert!
Damit bin
ich bei der Geschichte von der Heilung des Gelähmten aus dem
Lukas-Evangeliums, die wir gerade gehört haben.
Ein Mensch
wird von Jesus von seiner Lähmung geheilt, der zuvor viele Jahre auf
seiner Tragbahre gelegen war, der nicht auf seinen eigenen Füßen
stehen konnte.
Er kann
nicht einmal allein zu Jesus kommen, sondern braucht die Hilfe seiner
Freunde. Die Menschenmassen verhindern, dass sie ihren Freund auf
einfachem Weg zu Jesus bringen können.
Aber die
Freunde sind hartnäckig und mutig. Sie steigen Jesus, den Pharisäern
und den Gesetzeslehrern, die sich im Haus versammelt haben,
buchstäblich aufs Dach. Sie decken einen Teil des Daches ab und
lassen den Gelähmten auf der Bahre genau vor Jesus herunter.
Jesus ist
bewegt von diesen Freunden, von ihrem Einsatz für den Gelähmten und
von ihrem Vertrauen, dass er, Jesus, helfen kann.
Er vergibt
die Sünden, also das, was vom Vertrauen auf Gott und in das Leben
trennt, und heilt den Mann von seiner Lähmung.
Schließlich
entlässt er ihn mit den Worten: "Steh auf, nimm Deine Tragbahre,
und geh nach Hause!" Und der Mann, so heißt es weiter, "nahm die
Tragbahre und ging heim, Gott lobend und preisend."
Wenn ich
über diese Geschichte von der Heilung des Gelähmten nachdenke und
sie auf uns heute und auf uns als Christen beziehe, dann meine ich:
Christen
wurden und werden oft als Männer und Frauen betrachtet, die eher dem
gelähmten Mann gleichen als seinen Freunden.
Man traut
uns vielfach nicht zu, dass wir aufrecht, dass wir auf eigenen Beinen
stehen, dass wir uns unsere eigene Meinung und Überzeugung bilden
und dafür auch streiten.
Aber:
Viele gläubige, religiös verwurzelte Menschen – innerhalb und
außerhalb unserer Kirchen - lernen immer mehr diesen aufrechten
Gang.
Wir sind
nicht mehr bereit, uns allem zu beugen, was von oben kommt.
Wir
mischen uns ein und übernehmen Verantwortung, wir stehen auf für
unsere Überzeugungen, wir streiten und demonstrieren, wir nehmen
Einfluss auf die Entscheidungsträger und Meinungsmacher.
Wir sind
nicht der Gelähmte, wir begreifen uns als die Freunde, deren Hilfe
benötigt wird. Und unsere Natur, Gottes Schöpfung braucht dringend
die Hilfe von Freunden.
Aber: Zwei
große Hindernisse stehen dieser Hilfe im Weg,
auf der
einen Seite die vielen sensationsinteressierten Menschen, die das
neue Zauberkunststück dieses Wunderheilers aus Nazareth live
miterleben wollen und es damit den Freunden unmöglich machen, auf
dem einfachsten Weg zur Hilfe vorzudringen,
und auf
der anderen Seite die Pharisäer und Schriftgelehrten, die zwar mit
Jesus gerne über Gott und die Welt debattieren, aber dabei
vermeiden, dass sich tatsächlich etwas verändert.
Ich denke,
diese beiden Gegenkräfte gibt es bis heute:
Es gibt
die Menschen, die auf Sensationen und besondere Erlebnisse aus sind,
die zwar die Schlagzeilen über Klimaveränderung und
Umweltzerstörung, über den Verlust von Heimat und die Verzweiflung
darüber lesen, aber die dann schnell zur Tagesordnung und zur
nächsten Schlagzeile übergehen.
Man würde
ihre Köpfe und Hände dringend brauchen für die Mitgestaltung an
einer besseren Zukunft. Aber anstatt mit anzupacken stehen sie nur
herum oder auch im Weg.
Und es
gibt die Schriftgelehrten und Pharisäer, die mit Jesus reden und ihm
zuhören, aber ohne sich von ihm in Frage stellen zu lassen.
Das
erinnert mich an Menschen, die schon mal gerne nachdenken und
debattieren über eine bessere Welt, aber die dann bald merken, dass
dies einen Preis für sie persönlich hätte.
Der eigene
Lebensstil müsste sich eigentlich verändern, die eigene Position
würde vielleicht ins Wanken kommen.
Bei einem
der Anhörungstermine in Unterschleißheim hat der Justitiar der FMG
gesagt: "Über den Klimawandel können wir abends bei einem Glas
Wein reden".
Genau ein
solcher Satz steht für mich für die Schriftgelehrten der Zeit Jesu:
gebildet, in gehobener Position, gerne auch mal kontrovers
debattierend. Aber sein Wissen und seine Macht setzt er dafür ein,
dass sich an den bestehenden Weichenstellungen nichts verändert.
Eigentlich
war es für die Freunde des Gelähmten damals eine fast aussichtslose
Situation - so wie manche heute den Widerstandkampf gegen die
Ausbaupläne für aussichtslos halten:
Man hat
den gelähmten Freund, man sieht, dass Heilung, dass Besserung nötig
und auch möglich wäre, aber es scheint trotzdem keinen Weg dorthin
zu geben – wirklich beachtliche Gemeinsamkeiten mit dem Anliegen
der Bewahrung der Schöpfung, mit dem Einsatz gegen den Bau der 3.
Startbahn.
Die
Freunde aber geben dennoch nicht auf. Sie halten nichts von einem
"Das ist aussichtslos. Das bringt ja eh nichts."
Sie
überlegen sich eine neue Strategie: Sie steigen aufs Dach, decken
einen Teil davon ab und kommen so an ihr Ziel.
Und von
Jesus wird erzählt, dass er sich diesem Gelähmten und seinen
Freunden zuwendet. Die Gespräche mit den Schriftgelehrten, die
sensationshungrigen Menschenmassen sind jetzt nicht wichtig. Es geht
um Leben, es geht um gerechte Lebenschancen. Dem galt und gilt zu
jeder Zeit das erste Interesse und die Zuwendung Gottes.
Wenn man
zusammen hält, so diese Geschichte, wenn man vertrauen kann, wenn
man flexibel denkt und entschlossen handelt – dann ist trotz aller
Gegenkräfte vieles möglich!
Aufrechter
Gang meint dabei etwas anderes als im Chor mit vielen einfach auf
"die da oben" zu schimpfen. Es geht um ein kluges, couragiertes
und auch zähes Mitringen und Einfluss nehmen auf die öffentliche
Meinungen und Entscheidungen.
Ein
kleiner Traum und ein Satz zum Ende:
Der Traum:
In einigen Jahren trifft sich die Bayerische Staatsregierung zu ihrer
Kabinettsrunde. Der Ministerpräsident sagt zu seinen
Kabinettsmitgliedern: Von dieser braven christlichen Landbevölkerung
da draußen hätten wir diese Entschlossenheit, Ausdauer und
Raffinesse nicht erwartet. Wenn wir das geahnt hätten, hätten wir
die Pläne für den Flughafenausbau lieber gleich sein lassen."
Und der
Satz: Vor vielen Jahren hat der Liedermacher Hannes Wader getextet:
"Klare grade Menschen, das wär ein schönes Ziel, Menschen ohne
Rückgrat, haben wir schon zu viel."
Franz Heilmeier