Woher beziehen
wir unsere Energie zum Widerstand?
Ansprache
von Dekan Jochen Hauer
zum Lichterzeichen - Schweigegang in der
Innenstadt von Freising
am 07.02.2010
Liebe Mitchristinnen
und Mitchristen,
nun ist es also da, das
Gutachten des Hamburger Wirtschaftswissenschaftlichen
Instituts
(HWWI). Über den Sinn oder den Unsinn der
3.Startbahn sagt es nichts aus.
Also muss das, was in
dem Gutachten steht, gedeutet werden.
Es muss gefragt werden, was
aus den Prognosen und Szenarien zur wirtschaftlichen
Entwicklung
in Deutschland und weltweit für den Flughafen und die Anzahl
seiner
Start- und Landebahnen abzuleiten ist.
Es wäre schön,
wenn die, die zu entscheiden haben, auf der Basis des Gutachtens zu
dem
Ergebnis kommen, dass eine 3.Startbahn im Moos nicht nur
kurzfristig, sondern auch mittel-
und langfristig überflüssig
ist.
Das wäre wirklich wunderbar.
Aber gibt es das
Gutachten her?
Nein – Eher werden die einen es so und die
anderen ganz anders interpretieren.
Und was ist dann?
Dann
entscheiden nicht Fakten, sondern Interessen und Machtverhältnisse.
Wie so oft!
Wir dürfen unseren
Widerstand gegen die 3.Startbahn nicht auf dem
Wirtschaftsgutachten
aufbauen.
Wir dürfen unser
Engagement, liebe Mitchristinnen und Mitchristen, nicht von
der
Interpretation des Gutachtens abhängig machen.
Ebenso,
wie wir unsere Energie nicht nur aus Zahlen und Flächen und
Dezibel beziehen
dürfen.
Wir brauchen eine
Basis, die jenseits von Zahlen und deren Deutungen liegt.
Ich denke an das
Anhörungsverfahren in Unterschleißheim.
Die, die oben
saßen, waren nicht betroffen.
Eine beeindruckend erdrückende
Szenerie für die, die unten saßen.
Nicht anders ist es
jetzt bei denen, die entscheiden werden.
Auch sie fühlen sich
nicht betroffen von dem Bau der 3.Startbahn.
Aber genau das, liebe
Mitchristinnen und Mitchristen, ist der Irrtum in diesem
ganzen
Verfahren.
Ein Irrtum mit möglicherweise
irreversiblen Folgen.
Denn nicht nur wir, nein, auch sie sind
betroffen.
Auch wenn sie am Starnberger See wohnen.
Eine Fabel
öffnet dafür die Augen:
„Die Fische eines
Flusses sprachen zueinander: „Man behauptet, dass unser Leben
vom
Wasser abhängt. Aber wir haben noch niemals Wasser
gesehen. Wir wissen nicht, was
Wasser ist.
Da sagten einige,
die klüger waren als die anderen:“ Wir haben gehört,
dass im Meer ein
gelehrter Fisch lebt, der alle Dinge kennt. Wir
wollen zu ihm gehen und ihn bitten, uns das
Wasser zu zeigen.“
So
machten sich einige auf und …. fragten den Fisch. Als der
Fisch sie angehört hatte,
sagte er: „ O, ihr dummen
Fische. Aus dem Wasser seid ihr gekommen, zum Wasser kehrt ihr
wieder
zurück. Ihr lebt im Wasser, aber ihr wisst es nicht.“
Deshalb, liebe
Mitchristinnen und Mitchristen, leisten wir Widerstand gegen die
3.Startbahn.
Weil wir in der Schöpfung Gottes leben. Weil sie
uns umgibt.
Und wir leisten
Widerstand, weil wir Mitschöpfer der Schöpfung sind.
Wozu
wollen wir die Schöpfung nutzen?
Geht es uns um
Selbstverwirklichung –so zu sein wie Gott (Gen.3,5)?
Geht es
uns darum, uns einen Namen zu machen – immer neue Türme zu
Babel zu bauen
(Gen.11,4)?
Geht es uns um eine ausgegrenzte
menschengemachte Paradieswelt für eine Gruppe von
Menschen,
die sich das leisten können und wollen und nach ihnen die
Sintflut (Gen.7)?
Wollen wir die Schöpfung als Lagerstätte
ausbeuten und dann zur Mülldeponie machen?
Oder beginnen wir zu
begreifen, dass die Schöpfung, die uns umgibt, ein einmaliger,
uns
anvertrauter Kosmos ist.
Gott hat uns in seine Schöpfung
hineingestellt mit dem Auftrag, die Kontinuität dieser
Schöpfung
und ihre ständige Weiterentfaltung zu garantieren.
Wir haben
Verantwortung für den Bestand der Schöpfung.
Und deshalb können
wir es nicht zulassen, dass die Schöpfung auf dem Altar des
Profits und
eines Wirtschaftswachstum um jeden Preis geopfert
wird.
Wir sind in das System der Schöpfung Gottes
eingebunden.
Alle – auch die, die im Süden Münchens
wohnen.
Auch sie tragen Verantwortung für die Bewahrung der
Schöpfung. Für den Klimawandel.
Unabhängig von
Wirtschaftsgutachten, Bedarfsberechnungen und deren
Interpretationen….
Dafür müssen
wir denen, die das nicht sehen wollen, die Augen öffnen. - Durch
unseren Widerstand.
Selbst dann, wenn das prognostizierte
Wirtschaftswachstum noch so sehr gegen uns spricht.
Darum ein Wort von Jörg
Zink zum Schluss.
„Wir hätten Gott sehen können,
wo er uns bisher schon begegnen wollte: in der Weisheit,
die er in
seine Welt gelegt hat; in Christus, in dem er gelebt und geredet hat;
in dem Geist,
den er uns verliehen hat.
Aber wir wollten ja
frei sein. Wir wollten selbst die Herrschaft über die Welt
ergreifen.
Jetzt begegnet uns Gott noch einmal: im Leiden der
Kreatur. Dort, wo die Welt leidet unter
unserer Gewalttat.
Und
vielleicht werden wir Gott zum letzten Mal sehen in den Gesichtern
der Menschen,
die in Massenelend und Massensiechtum zugrunde
gehen; draußen in der Dritten Welt
schon heute; und künftig
in den Gesichtern unserer Enkel, auf die das Unheil mit voller Wucht
treffen wird.“
Ein düsteres Wort, zugegeben.
Für
die, die entscheiden, eine Mahnung. Oder wenigstens ein Anlass zum
Nachdenken.
Sagen wir es ihnen mit unserem Widerstand gegen die
3.Bahn.
Für uns aber eine Motivation, nicht nachzulassen.
(Texte
aus „Augenblicke deiner Gegenwart. S. 177 und 181f)
Dekan Jochen Hauer