Wirtschaft versus Weisheit versus Menschlichkeit
Ansprache von Regionalbischöfin Breit-Keßler
zum Lichterzeichen - Schweigegang in der Freisinger Innenstadt
am 02.05.2010

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Dritte Startbahn – noch weiß niemand, ob sie wirklich kommt. Sie, liebe Schwestern und Brüder, sorgen sich verständlicherweise wegen des dann erneut und vermehrt zu erwartenden Lärms, der Umweltbelastung und wegen der neuen Arbeitsplätze, die nicht immer hoch dotiert, sondern je nach Anbieter oft auch Billigarbeitsplätze sind.

Manche verstehen diese Sorgen; andere sind der Ansicht, dass Fortschritt und ökonomische Lage den Ausbau erforderlich machen. Sind Kritiker stets im Recht und Befürworter nie? Oder ist es umgekehrt: Die Befürworter eines Projektes sind auf der Höhe der Zeit und die Kritiker auf dem völlig falschen Dampfer?

Der Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie ist trotz global geschärften Bewusstseins nicht aufgelöst. Die Argumente treffen aufeinander: Ökonomische Entwicklung versus Naturschutz. Von uns allen selbstverständlich geforderte und in Anspruch genommene Mobilität versus Erhöhung von Treibstoffverbrauch und Schadstoffemission.

Als Wirtschaftsregion im globalen Konkurrenzkampf nicht abgehängt werden, Arbeitsplätze und damit Lebensmöglichkeiten erhalten, sogar vermehren - um den Preis weiterer Umweltbelastung. Das sind nur wenige Eckpunkte auf dem komplexen Feld, auf dem es keine einfachen Antworten gibt.

Zu Recht hat die bayerische Landessynode darauf hingewiesen, dass ökonomische wie ökologische Nachhaltigkeit entscheidende Kriterien verantwortlicher Politik sind. Dies ist die im christlichen Glauben fundierte ethische Einsicht, an der sich auch die Planung einer dritten Start- und Landebahn am Münchner Flughafen messen lassen muss.

Es geht um verständliche Sorgen derer, die in der Region wohnen. Und noch mehr und weiter über die Region hinaus: Es geht um Politik, die dem Schutz von Lebensgrundlagen verpflichtet ist. Zukunftsfähig ist Wirtschaftspolitik dann, wenn sie im Sinne der Nachhaltigkeit intelligente Technologien fördert, die dem Schutz von Klima und Umwelt nützen.

Christen und Christinnen nicht nur in der Region Freising fragen sich, ob der weitere Ausbau des Flughafens diesem Maßstab genügen kann. Ihnen ist daran gelegen, notwendige wirtschaftliche Prosperität nicht auf Kosten natürlicher Ressourcen anzustreben. Ich teile ihre Überlegungen. Die Diskussion darüber muss offen und transparent geführt werden.

Nachhaltigkeit beruht auf drei Säulen: Jegliche Entwicklung soll gleichermaßen ökonomischen Wohlstand fördern, ökologische Stabilität wahren und soziale Sicherheit gewährleisten. Wir haben keine Formel, die es einfach machte, unsere Entscheidungen und Handlungen so auszurichten, dass sie diesen drei Säulen gerecht würden.

Dazu braucht es auch beim Streit um die Dritte Startbahn den Diskurs, geführt mit fundierten Informationen, Sachkenntnis und begründeten Argumenten. Unverzichtbare Regel der Nachhaltigkeit ist: Niemand darf von Beratung und Entscheidungswegen ausgeschlossen sein. Betroffene sind Beteiligte oder müssen es werden, wo sie noch nicht einbezogen wurden.

Der Flughafen hat einen Preis, der nicht allein in Euro zu beziffern ist. Mit der Zunahme der Flugbewegungen nimmt aber auch die Belastung der Umwelt zu; sie bedeutet erhöhtes Verkehrs- und Lärmaufkommen. Der Flughafen verkörpert die Ambivalenz des Fortschritts. Wer das eine will, muss das andere in Kauf nehmen. Das ist die Logik, der wir folgen.

Die Heilige Schrift erzählt im Buch Hiob von der Suche nach einer anderen Logik - von der Suche nach Weisheit. Was ist Weisheit, wird dort gefragt, und: Wo ist sie zu finden? Anschaulich und aufregend wird beschrieben, wie Menschen die Grenzen des Machbaren munter und tatendurstig immer weiter hinausschieben.

Sie graben Stollen tief in die Erde und versetzen buchstäblich Berge. Sie erforschen tiefe Höhlen und Schluchten, fördern kostbare Edelsteine und Gold. Sie erkunden fernste Länder und Meere. Weisheit finden sie nicht. Denn - so geht ihnen am Ende der Suche auf - "siehe, die Furcht des Herrn das ist Weisheit, und meiden das Böse, das ist Einsicht." (Hiob 28,28)

Weise ist derjenige, der sich nicht selbst absolut setzt, sondern vor Gott und den Mitmenschen verantwortet. Weise ist der, der die Welt nicht durch die rosa Brille sieht, sondern sich auch des Negativen, des Bösen bewusst ist. Weise ist, wer Fehler und Schwächen nicht nur bei anderen sucht, sondern fähig ist zur Selbstkritik. Darum bitte ich an dieser Stelle herzlich:

Machen Sie sich gegenseitig in der Debatte nicht nieder, nicht kaputt - gleich, welche Meinung Sie vertreten. Bewahren Sie den Respekt voreinander. Uns allen wünsche ich Weisheit. Weisheit, auf Gott, zu vertrauen und sich dadurch eine weltoffene, kluge und warmherzige Menschlichkeit zu bewahren – im Wissen um die eigenen Möglichkeiten, aber auch Grenzen.