Zeichen der Zeit
Besinnung gestaltet von Dekan Jochen Hauer
zum Lichterzeichen – Stadtgang am 22.07.2012

Wir gehen unseren Weg mit Dank und Zuversicht
Aussendung zum Stadtgang - Eröffnung durch Dr. Wilhelm Albrecht
zum Lichterzeichen - Schweigegang in der Innenstadt von Freising
am 20.02.2011


Ich begrüße Sie alle zum heutigen Stadtgang von Lichterzeichen.
Sie sind ja gekommen, um mit uns wachsam zu bleiben auch in Momenten wo es scheint,
als gäbe es Entspannung. Vielleicht ist diese Etappenpause ein passender Zeitpunkt, an dem
man es sich leisten kann, sich zu besinnen. Zu besinnen auf das Besondere und Eigenständige,
was Lichterzeichen in das Konzert der über 80 Bürger initiativen einbringt.
Wir veranstalten ja keine Demonstrationen im landläufigen Sinn gegen einen bedenkenlosen
Flughafenausbau mit Druck und Trillerpfeifen und griffigen Parolen.

Was ist dann unser Ansatz? Wir unterlaufen, ich kann auch sagen, wir übersteigen mit unserem
Schweigen und Besinnen die zwangsläufige Logik von Druck und Gegendruck nach den Spielregeln
eines politischen Kräftemessens. Wir gehen nicht einfach in einen Waffengang auf gleicher Ebene
mit der Gegenseite.

Unsere Überzeugungen greifen weiter aus. Wir setzen nicht auf bloße Konfrontation darüber,
wer die stärkeren Argumente hat, oder wer wen mit gleichen oder ungleichen Waffen über den
Tisch zieht. Wir sind überzeugt, dass es Kräfte gibt, die solche Logik und Rationalität übersteigen.
Zwar sagen viele, die Welt umfasst alles, was logisch ist, was berechenbar ist, was quasi naturgesetzlich
hieb- und stichfest daherkommt. Oft stimmt das ja und meistens funktioniert die Welt ja so.

Aber plötzlich taucht dann Unberechenbares und Unerwartetes auf und alle Erwartungen oder auch
Befürchtungen werden über den Haufen geworfen. Dann zeigt sich, dass nicht diejenigen Recht haben,
die uns einreden: Es ist eh schon alles entschieden, du kannst ja doch nichts machen, du merkst gar nicht,
dass das Spiel über unsern Kopf hinweg schon gelaufen ist.

Und jetzt also ist das Unerwartete da.
Der Bürgerentscheid in München und seine Folgen sind ein Schlag gegen solches Denken.
Alle Planungen, Berechnungen, Vorhersagen und auch die Übermacht finanziell aufgeblähter
Werbetrommeln (1 Mo € hat die FMG aufgewendet) die sind zerplatzt wie schillernde Seifenblasen.
Es gibt eben Kräfte, die unser Logik und Rationalität übersteigen.

Wir haben es erlebt, dass 1989 in Leipzig die Lichter, Lieder und Gebete stärker waren als pure Macht.
Und nun zeigt sich erneut: Die uralte Erzählung von David und Goliat ist kein Märchen aus den
Kindertagen der Menschheitsgeschichte. Wenn Mut und Tatkraft und Entschlossenheit und
Durchhaltewillen stark sind, haben wir vieles in der Hand. Das ist unser Anteil am Umschwung.

Den anderen Teil haben wir nicht in der Hand. Die Welt ist nicht undurchlässig abgedichtet,
sie ist offen und letztlich unfassbar. Genau das stellen wir in Rechnung und Christen tun das beherzt.
Einer hat das treffend so ausgedrückt: In diesen Tagen spüren wir den Hauch eines Wunders.

Das macht uns nicht übermütig, vielmehr sind unsere Herzen voller Dank. Wie das Transparent
hoch auf dem St. Georgsturm, so sagen wir: Vergelt´s Gott.
Auch wenn die Würfel letztlich noch nicht endgültig gefallen sind.
Aber wir sind davon überzeugt: Nur wer das Seine tut und darüber hinaus Wunder für möglich hält,
der ist ein wirklicher Realist. Wie gesagt, wir haben es erlebt, wir sind Zeugen davon.

In diesem Sinne machen wir uns heute wiederum auf den Weg.
Gehen wir ihn mit Dank und Zuversicht.



„Zeichen der Zeit“

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

am 17.Juni haben Münchner Bürgerinnen und Bürger entschieden, dass sich die Stadt München als Anteilseignerin der FMG nicht am Bau einer 3.Start- und Landebahn beteiligen soll.
Wir haben dieses Ergebnis in Freising gefeiert – ein besonders schönes Zeichen der Freude und des Dankes war die Einladung am letzten Sonntag: Freising sagt den Münchner „danke“.

Ja, wir haben wirklich allen Grund, denen danke zu sagen, die sich mit uns gegen die 3.Bahn eingesetzt, uns ihre Stimme geliehen und mit so überzeugender Mehrheit gegen den Bau der geplanten 3.Start-und Landebahn votiert haben.

Ich will aber auch all denen danken, die seit Herbst 2006 an 293 Sonntagen unterwegs waren – bei den Schweigemärschen der „Aktion Lichterzeichen – 2 Bahnen reichen“. Bei den Demonstrationen in München.

Ich persönlich bin auch Gott dankbar für den Aufschub, den jetzt erreicht worden ist.

Mehr als ein Aufschub ist es in meinen Augen nicht, denn offiziell ist die 3.Bahn ja noch nicht vom Tisch.
Darum müssen wir weiterhin aufmerksam bleiben und die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkennen.
Wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen.

Was hält uns wach?
Was motiviert uns?
Was trägt uns dabei?

Zu allererst natürlich die Verhinderung der 3.Bahn. Sie darf einfach nicht gebaut werden.
Sie zu verhindern, ist für viele von uns Motivation.

Es geht um die 3.Bahn – und es geht um noch viel mehr.
Die jetzt erst mal aufs Eis gelegte 3.Bahn steht in einem sehr viel größeren Zusammenhang. Ganz dem Anspruch des Flughafens entsprechend, steht die 3.Bahn tatsächlich in einem weltweiten Zusammenhang.

Schon 1972 hat der Club of Rome unmissverständlich auf die „Grenzen des Wachstums“ hingewiesen.
In seinem neuen Bericht von diesem Jahr mit dem Titel „2052 – eine globale Vorhersage für die nächsten 40 Jahre“ weist der Club of Rome in aller Klarheit darauf hin,
dass sich die Menschheit derzeit auf einen Punkt hinbewegt,
an dem der Wunsch nach Wachstum und Wohlstand schlicht und ergreifend damit in Konflikt gerät, dass wir fatalerweise nur diese eine Erde haben und keine zweite.
Und dass auf dieser unserer Erde die Ressourcen einfach nicht endlos, sondern begrenzt sind.
Ob das die fossilen Brennstoffe, die Metalle, fruchtbare Ackerböden oder sauberes Wasser ist.
Und dann stellt der Club of Rome die entscheidende Frage, „ob die Menschheit den Übergang von der Hemmungslosigkeit zur Nachhaltigkeit gewaltfrei und mit demokratischen Mitteln schaffen wird“ (SZ 9.5.12).

Die Natur ist eben keine Sache, die beliebig und unbegrenzt ausgebeutet und belastet werden kann, wenn nur das entsprechende Geld vorhanden ist.
Den Befürwortern der 3.Bahn, allen voran dem bayerischen Wirtschaftsminister Dr.Zeil wird es überhaupt nicht gefallen, dass immer lauter eine neue Ethik gefordert wird, und zwar „eine Ethik des Genug“ (EKD-Präses Nikolaus Schneider SZ 19.6.12).

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
der von mir sehr geschätzte Heribert Prantl hat in einem Kommentar zum Nachtflugverbot am Flughafen Frankfurt großartig zum Ausdruck gebracht, was man gar nicht oft genug betonen kann – auch im Blick auf die 3.Bahn:
Er schreibt: „Das Urteil ist …auch ein Urteil gegen wohlfeiles Globalisierungsgebrabbel, das pauschal auf die „neuen Herausforderungen“ verweist, um damit jedwede Bedenken beiseite zu räumen.
Es gibt nun einmal in der deutschen Rechtsordnung kein Super-Grundrecht auf ungestörte Investitionsausübung, das allen anderen Grundrechten vorginge.
Es müssen nicht alle anderen Rechte schweigen, wenn behauptet wird, man könne ansonsten die „Jobmaschine“ nicht richtig anwerfen.“ (SZ 5./6.12)

Lassen wir uns also nicht irre machen.
Setzen wir weiterhin unübersehbare Zeichen.
Die 3.Bahn ist eben nicht nur geplanter Teil eines großen Drehkreuzes des Südens, sie ist auch nicht die Bedingung für die Jobmaschine und den Erhalt des Wirtschaftsstandortes Bayern.

Nein, sie ist Ausdruck einer Wirtschaftspolitik, die die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt hat. Einer Wirtschaftspolitik, die nicht über den eigenen Tellerrand schaut und nur dem eigenen kurzfristigen Erfolg frönt.

„Höher, schneller, weiter ist ein optimales Motto für Olympia – aber nicht fürs Leben.“
Wissen Sie, wer das gesagt hat?
Dr.Markus Söder, unserem bayerischen Staatsminister für Finanzen auf dem Jahresempfang der Diakonie Bayern (2.Juli München, Zitat Sonntagsblatt).
Er hatte dabei Menschen im Blick, die überschuldet sind.
Wird er diesen Menschen damit gerecht? Oder tut er ihnen mit dieser Aussage nicht eher Unrecht?

Aber beziehe ich seine Aussage auf die 3.Bahn, dann hat Minister Dr. Söder hundertprozentig recht: „Höher, schneller, weiter ist ein optimales Motto für Olympia – aber nicht für“ …den Flughafen München.
Und dann müsste ihm nur noch irgendjemand klar machen, dass das Geld, das er für den Bau der 3.Bahn vorgesehen hat, wirklich woanders sinnvoller eingesetzt ist. Hat er doch selber auf dem Empfang gesagt: „Wir brauchen nicht neue Staatsstraßen und Teerbeläge, wir brauchen mehr Lehrer und Altenpfleger.“
Recht hat er.
Wir brauchen auch keine 3.Startbahn, wir brauchen mehr Kindergärtnerinnen und Kinderpfleger.

Bleiben wir standhaft.
Nennen wir die Dinge beim Namen.
Und lassen wir uns dabei von unserem Glauben tragen und motivieren.
Der bayerische evangelische Landesbischof Dr. Bedford-Strohm hat eine solche Haltung ganz einfach und klar beschrieben:

„Wer Gott als den Schöpfer bekennt, setzt sich für eine Welt ein, in der die Menschen die Natur als Schöpfung Gottes auch achten“.. und der weiß auch, „dass unser Leben sich verändern wird….Als Christenmenschen leben wir aus der Fülle: Gottes Erde bietet genug für alle. Das ist die große Zukunftsvision“.