Gegen das "Immer
mehr und immer schneller"
Andacht
gestaltet von Stadtpfarrer Peter Lederer
zum Lichterzeichen -
Schweigegang zum Marienplatz am 02.02.2014
Liebe Mitbürgerinnen und
Mitbürger,
es gibt Szenen und Eindrücke,
die man nicht vergisst, weil sie über das Momentane hinaus ganz
Grundsätzliches offenbaren und deutlich werden lassen.
Es war beim Passionsspiel des Jahres
2000 in Oberammergau. Damals wurde noch der erste Teil am Vormittag,
der zweite Teil am Nachmittag gespielt.
Manche Reiseveranstalter wollten für
ihre Gäste, vor allem aus dem asiatischen Raum so viel wie nur
irgendwie möglich unterbringen, so wurden die Gäste
unmittelbar nach der Auferstehungsszene mit Bussen nach Füssen
gebracht, damit sie noch rechtzeitig zum König-Ludwig-Musical
kommen konnten. Im Ort Oberammergau hörte man von Rückmeldungen,
die deutlich machten: Die Gäste waren völlig überfordert,
sie konnten das Erlebte nicht mehr verarbeiten. Es gab jene, die von
der Geschichte dieses Jesus von Nazareth erzählten, der am
Schluss mit tragischem Ende im Starnberger See ertrunken sei!
Liebe Mitbürgerinnen und
Mitbürger,
Wir können ganz grundsätzlich
sagen: Das Motto: je mehr desto besser ist falsch. Es gibt Punkte,
jenseits von denen eine Steigerung zu einer Überforderung wird,
die sich gegen den Menschen wendet. Die Tugend des rechten Maßes
wird zerstört, es wird von Wachstum gesprochen, aber im Grunde
ist die Maßlosigkeit gemeint, die den Menschen zuerst
innerlich, dann aber auch äußerlich zerstört.
Je mehr, desto besser: das gilt
gewiss für die ersten Schritte des Wachstums in
Entwicklungsländern – zu denen bekannterweise Deutschland
nicht gehört. Jeder Appell, wir bräuchten Steigerungen im
Luftverkehr, vergisst die Tugend des rechten Maßes. Was wir
stattdessen benötigen, das sagen uns Worte, die wie prophetische
Aufrufe aus der Mitte der Gesellschaft heraus entstanden sind und
echte Bedürfnisse zum Ausdruck bringen – eines dieser
prophetischen Worte, denen wir immer wieder begegnen, lautet:
Entschleunigung. Wir stehen auf und protestieren gegen eine
Lebensphilosophie, die lautet: immer mehr, immer schneller, immer
größer und werben wir einen Lebensstil, den der Hl.
Benedikt mit dem Leben nach dem rechten Maß bezeichnet- nicht
umsonst nennen wir gerade diesen Heiligen den Vater des Abendlandes.
Kommen wir nochmals zurück auf
die Reiseveranstalter, die meinen, sie müssten den Gästen
eine größtmögliche Beschleunigung bieten und
sofort nach dem Ende des Passionsspiels noch das König-Musical
zur Verdauung aufzwingen. Am Schluss wird nichts mehr verdaut, und
die Menschen werden um die rechte Nahrung gebracht. Glücklich
die Gäste, deren Reiseleiter auf weitere Steigerungen
verzichten, die erkennen, dass im rechten Maß auch die rechte
Erfüllung liegt. Wir haben uns nicht versammelt, weil wir gegen
den Luftverkehr als solchen sind. Wir wollen vielmehr zum Ausdruck
bringen, dass die Maßlosigkeit einen gefährlichen Weg
darstellt; einen Weg, der früher oder später zur
Entschleunigung zwingt, um recht leben zu können. Was nützt
es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber seine Seele
verliert – er wird sie nicht mehr zurückkaufen können.
Der, dem wir diese Worte verdanken, verdient es, gehört zu
werden.