Warum tun wir uns das an?
Besinnung gestaltet von Dr. Wilhelm Albrecht
zum Lichterzeichen-Schweigegang am 07. Januar 2018

Dies ist der 1. Sonntag im neuen Jahr 2018. Noch haben wir frische Vorsätze im Kopf: weniger Stress, mehr Zeit für sich und Freunde, mehr Sport und Bewegung, gesünderes Essen, weniger Internet surfen, Alkohol einschränken oder so. Jeder so ähnlich nach seiner Fasson.

Wenn wir hier zum Schweigemarsch zusammenkommen, jetzt im 12. Jahr, dann haben wir offensichtlich einen Entschluss gemeinsam: Wir geben nicht auf. Wir haben den Flughafen vor der Tür und nehmen ihn, wie er ist. Aber wir wehren uns vehement und konsequent gegen eine 3. Start und Landebahn. Warum tun wir uns das an? Diese Frage ist unbewusst immer da und verlangt Antwort. Sind wir denn Spinner? Betroffenheitsfanatiker? Natur-Traumtänzer oder Heimat-Traumtänzer? Verbohrte Quertreiber? So oder ähnlich wollen uns manche von außen sehen.

Deshalb nochmal zum Nachdenken: Warum tun wir uns das an?
Wir könnten jetzt einfach auf der Internetseite von „Lichterzeichen-Zwei Bahnen reichen“ unter dem Link „Wir über uns“ nachschlagen, da stehen 5 Punkte, die alles sagen, was nötig ist.

Ich will es mir aber heute eher schwerer machen und nicht bloß abschreiben. Ich erzähle Ihnen einfach was mich selber umtreibt.

Drei Merkmale sind mir die wichtigsten. Ich bitte um Ihre Nachsicht...

Das erste: Es gibt nicht einen einzigen Tag, an dem nichts über den kritischen Zustand unserer Welt und unseres Landes in die Zeitung oder in die Nachrichten kommt. Vor drei Tagen zum Beispiel:
UN Generalsekretär Antonio Guterres sieht für den Planeten Alarmstufe Rot. Rot für die Naturrecourcen der Welt und Rot für Klimawandel und einiges andere mehr. Und vorgestern zeigte ein Meterologe eine Statistik über die gesamte Temperaturentwicklung. 2016 sagte er, war der bislang höchste Stand seit überhaupt gemessen wurde, und er erklärt: der El Nino hätte das bewirkt, die ungewöhnlichen zyklischen Strömungen im Pazifik. Aber jetzt für 2017 muss er eingestehen: abermals höher, - ohne El Nino. Uns selbst ist längst klar: unser zivilisatorisches Wachstumsmodell kostet zu viele Ressourcen, zu viel Energie, macht zu viel Müll und produziert zu viel Emissionen. Wir verkonsumieren, wir verspeisen quasi unsere eigenen Lebensgrundlagen. Wenn das so weiter geht, gehen in berechenbarer Zeit die Welt und mit ihr auch wir vor die Hunde. Wir wissen das längst, aber wir wollen es nicht glauben, d.h.: Wir wollen nicht die Konsequenzen ziehen. Unsere Gesellschaft steckt in ihren Bequemlichkeiten fest.

Dies ist das eine, was mich umtreibt, mich äußerst beunruhigt und zwingt, die Augen nicht zu verschließen wie der berühmte Affe unter den dreien.

Darum tue ich mir das an.

2. Grund: Ich bin da kein Einzelner. Ich weiß, dass es bereits viele gibt und es muss eine „kritische Masse“ werden. Dazu gehört Lichterzeichen, eine Gruppe von Freisinger Christen in ökumenischer Verbundenheit. Ohne unsere evangelischen Partner, Freunde und Wortführer, ich sage das ganz unumwunden, hätte Lichterzeichen weniger Standfestigkeit und Durchschlagskraft. Für uns ist die Rede von der Bewahrung der Schöpfung keine Spinnerei sondern Grundauftrag aus dem Glauben. Und das ganz real hier bei uns vor Ort. Flächenbetonierung, Naturfledderei, Gesundheitsgefahren durch Luftverschmutzung mit Fein- und Feinstststäuben, zunehmender und teilweise krankmachender Lärm, zunehmende Verkehrsbelastungen und Wohnungnot spüren wir "am eigenen Leib".

In seinem Schreiben Laudato si geht es dem Papst darum, den „Garten der Welt“, wie er es nennt, zu behüten und zu bebauen. Und er buchstabiert das durch mit verschiedenen Tätigkeitsworten, nämlich: schützen, beaufsichtigen, erhalten und bewachen (Nr. 68).

Das sind klare Worte. Und Kirche, sagt er, ist kein geruhsamer Palast in Rom, sondern Kirche muss an die Ränder gehen und zwar als eine Art Feldlazarett für alle, die unter die Räder zu kommen drohen, für die, die den Preis für ungebremstes Wachstumsstreben bezahlen. In Attaching, Berglern, Schwaigermoos oder Pulling, da sind jetzt schon solche, auf deren Seite sich Lichterzeichen solidarisch stellt. Und wenn Markus Söder sagt: die Kirche soll sich nicht um die Politik kümmern, sondern um den christlichen Glauben, dann macht er ein falsches Fass auf. Denn Kirche und Glaube dürfen nicht separiert und abgeschoben werden auf den Himmel da droben. Glaube ist nicht Opium sondern Salz und Licht der Welt,- und damit auch politisch. Es geht Lichterzeichen nicht darum, die eigene moralische Überlegenheit hervorzuheben. Wir dürfen und wollen auch nicht in politischen Auseinandersetzungen den Christen, die anderer Meinung sind, einfach ihre Christlichkeit absprechen. Aber wir bleiben dabei: Wir schärfen unser Gewissen und treffen nach bestem Wissen und Gewissen unsere Entscheidung gegen eine 3. Startbahn. Nicht von oben herab sondern von unten, aus Betroffenheit und Nachdenklichkeit. Das geschieht zum Beispiel bei unseren monatlichen Schweigemärschen, wo wir die Lauterkeit unserer Gründe prüfen und damit einander bestärken. So geraten wir auch nicht in die Rolle des zweiten Affen, der seine Ohren verschließt.

Und 3. und abermals: Warum tue ich mir das an?

Weil ein Christ aus der Hoffnung lebt. Hoffnung ist eine ganz grundsätzliche, tiefgründende Haltung, und nicht einfach vergleichbar einer Tugend wie Demut oder Bescheidenheit. Eine Hoffnung mit Gott, mit dem Gott, der gegen alle normalen Erwartungen die Toten auferweckt. Eine Hoffnung, die nicht ruhig macht sondern unruhig, nicht geduldig sondern ungeduldig in der Erwartung einer überraschenden und erlösenden Zukunft. Und das brauchen wir angesichts des schweren und kritischen Entscheidungsjahres 2018. Siehe die jüngsten politischen Aussagen von Horst Seehofer und Markus Söder, die noch in diesem Jahr auf eine Entscheidung für oder gegen eine 3. Startbahn drängen und mit dem Gedanken einer Umwandlung des Flughafenvertrags in eine AG spielen. Mein eigenes Handeln ist dabei getragen von dem Satz des früheren tschechischen Staatpräsidenten Vaclav Havel: „Hoffnung ist nicht die Gewissheit, das etwas gut ausgeht, sondern die Überzeugung, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“

Darauf stütze ich mein Handeln, weil ich überzeugt bin, dass es Sinn macht. Lassen Sie mich schließen mit einem letzten Zitat, ein Sprichwort aus dem alten China: „Der Mann, der den Berg abtrug, ist derselbe, der angefangen hatte, kleine Steine wegzuräumen.“

Diese 3 Punkte : Der nicht mehr hinnehmbare Zustand unserer Welt für die kommende Generationen - die Solidarität mit unmittelbar Betroffen in unserer Region - und mein Versuch, die Hoffnung als Grundhaltung zu praktizieren, das sind meine persönlichen Antwort auf die Frage. Warum tue ich mir das an?
Und Sie, liebe Freunde, was würden Sie benennen?