Ökumenisches
Sonntagsgebet
4.10.2020
Freisinger
Marienplatz
Liebe
Lichterzeichen Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
liebe
Freunde,
ich
begrüße Sie alle sehr herzlich und freue mich, heute
wieder einmal bei Ihnen zu sein - und die Freisinger Luft atmen zu
können. Die Freisinger Luft ist besser geworden. Vielleicht mit
einer kleinen Übertreibung: aber ist es nicht zu riechen und zu
schmecken, dass da weniger Feinstaub in der Luft liegt? Wir können
aufatmen und wir können durchatmen. Der massive Einbruch an
Flugbewegungen in den letzten Monaten hat hier und überall in
der Umgebung zu einem merklichen Rückgang der Luftverschmutzung
und an Lärmbelästigung geführt.
Und
noch dazu hat uns das vergangene halbe Jahr im Blick auf die 3.
Start- und Landebahn politische Verlautbarungen (ich
sage mit Bedacht nicht: Entscheidungen) gebracht,
über die wir nur jubeln können.
Und
trotzdem: gerade als Christen und Christinnen sind wir in Zeiten von
Corona alles andere als in Feierlaune. Schon gar nicht kommt
Schadenfreude in uns auf, dass Corona gewissermaßen die
Befürworter der 3. Startbahn in die Knie gezwungen hat. Nein,
auch hier vom Marienplatz steigen unsere Gebete zum Himmel auf für
die, die Corona in ihrer Gesundheit und in ihrer wirtschaftlichen
Existenz schwer getroffen hat: unter ihnen auch manche Beschäftigte
am Flughafen. (Denken
wir in einem Moment der Stille und des Gebetes an sie).
Lieber
Stadtrat Hartmut Binner, seit der großartigen Demo 2011 am
Münchner Marienplatz bist Du mit mir befreundet. Du bist aber
auch mein liebevoller Kontrolleur. Damals vor dem Münchner
Rathaus hast Du mich scharf angeschaut und zu mir gesagt: „Lieber
Msgr. Boeck, kein falsches Wort, sonst hol ich Sie von der Bühne
runter!“ Und diesmal: „Rainer, denk daran, dass wir bei
„Lichterzeichen“ und nicht bei „Aufgemuckt“
sind und dass Du Pfarrer bist!“
Ja,
liebe Freunde von „Lichterzeichen“, Ihr hättet für
das ökumenische Sonntagsgebet kein besseres Datum wählen
können. Denn heute ist Erntedank. Und auf diesen Erntedank fällt
das Fest des hl. Franz von Assisi. Und obendrein ist unser Papst
Franziskus nach Assisi gefahren, um an diesem mystischen Ort seine
neue Enzyklika zu unterschreiben. In dieser Enzyklika geht es -
angesichts von Corona - genau um das, wofür die „Lichterzeichen“
schon immer stehen: um eine globale Neuorientierung, die unsere
Schöpfung schützt; eine Neuorientierung, der es um
Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft geht - dem Gegenteil von
wirtschaftlicher Expansion um jeden Preis, die die Reichen noch
reicher macht - leider nur zu oft auf Kosten der Ärmeren und
Schwachen.
Daraus
ergeben sich für mich als Pfarrer, lieber Hartmut, drei kurze
Gedanken:
Franz
von Assisi war ein so Großer, weil für ihn Dank und Lob
ganz oben gestanden sind. Und wir haben heute wahrhaft allen Grund zu
danken. Dass jetzt auch der bayerische Ministerpräsident -
wenigstens für seine Amtszeit - den Bau der Startbahn
zurückgestellt hat, hat uns unserem Ziel einen gewaltigen
Schritt näher gebracht. Niemand kann beschreiben, was nötig
war, um bis hierher zu kommen: Wieviel an Gesprächen und
Abstimmungen, an Aushalten auch von internen Spannungen, an
Organisation und an Sitzungen: in Lerchenfeld gab es an 320 Sonntagen
und hier in der Stadt an über 50 Sonntagen Schweigegänge. -
Der Funke unseres Freisinger Protests sollte auch auf München
und die Münchner überspringen: bis in die Gerichtssäle
hinein - unvergesslich bleibt uns das Singen der Bayernhymne dort. -
Und dann ging es darum, für die Abstimmung zu trommeln, die ein
so wunderbares Ergebnis gebracht hat.
Und
jetzt Corona: diese Zäsur, die auch die Landespolitik zur
Einsicht und zum Einlenken gebracht hat.
Darum
ist es wahrhaft an der Zeit, zu danken. Mein Dank geht heute an Sie
alle. 14 Jahre lang hat jede und jeder von Ihnen auf ihre und seine
Weise und an ihrem und seinem Platz zu unserem Erfolg beigetragen. So
danke Ihnen allen in diesem besonderen Moment. Ich verneige mich vor
Ihnen. Sie haben Großes geschafft.
Ich
nenne keine einzelnen Namen. Hartmut, Du wirst das vielleicht noch
tun. Und Du weißt, dass Du neben vielen anderen an vorderster
Stelle mit gemeint bist.
Wir
sollten aber auch den Dank an Gott nicht vergessen. Denn wir haben in
all den Jahren und bis zuletzt durch Corona bemerkt, dass es das
Unvorhersehbare gibt, das letztlich in Gottes Händen liegt. Ihm
sei Dank!
Ein
Zweites: Leider sind wir noch nicht wirklich über die Ziellinie
hinüber. Weder ist die 3. Startbahn aus dem
Landesentwicklungsplan gestrichen, noch ist der
Planfeststellungsbeschluss aufgehoben. Noch liegt nicht von jeder
Landtagspartei eine eindeutige Festlegung vor. Wer weiß, was
das heißt: „Bis zum Ende meiner Amtszeit als
Ministerpräsident ist die Sache auf Eis gelegt.“ Womöglich
gibt es ja doch einmal einen Bundeskanzler aus Bayern in Berlin. Dann
wäre die Eiszeit schon nächstes Jahr zu Ende. Und auch
sonst schmilzt Eis ja schnell. Vielleicht mit dem Argument: „Wir
brauchen den Bau der Startbahn jetzt doch, um unsere Wirtschaft neu
anzukurbeln“.
Liebe
Freunde, es gibt Stimmen, die uns raten, nun endlich still zu sein.
Genug sei getan. Als Christen hätten wir uns schließlich
um Anderes, um die Dinge da droben zu kümmern. Es sei nicht
unsere Sache, uns in Entscheidungsprozesse wie um die 3. Startbahn
einzumischen.
Ja,
was dann? Wir Christen stehen mitten in dieser Welt. Nie können
wir unsere Hände in Unschuld waschen. Es gibt das nicht: ein
sich nicht Positionieren. Wer nicht zum einen steht, der steht zum
anderen. Und das spürt auch jedermann. Euer Ja sei ein Ja, Euer
Nein sei ein Nein. Wann immer die Kirche zu wichtigen Fragen
geschwiegen hat, wurden ihr später schwere Vorwürfe
gemacht.
Natürlich
sind wir als Christen aufgefordert, nicht vorschnell zu reden. Im
Gebet, vor Gott müssen wir Tag für Tag jeden unserer
Schritte überlegen. Aber Kontemplation ist nicht das Gegenteil
von Handeln. Sie ist nicht Passivität, Flucht vor notwendigen
Auseinandersetzungen. Nein, Kampf und
Kontemplation: das macht uns Christen aus. Auf uns sollte einmal
nicht
das Jesaja-Wort zutreffen: Seine
Wächter sind allesamt blind, sie merken nichts; sie sind alle
stumme Hunde, sie können nicht bellen (56,
10).
Liebe
MitstreiterInnen, schlafen wir - nach all den Mühen der letzten
Jahre - nicht ein! Bleiben wir hellwach! Bellen wir, wo es zu bellen
gilt.
Jeder
von uns ist mit den Jahren älter geworden. Wir freuen uns an
unseren Kindern und Enkeln. Sie sollen eine gute Zukunft haben in
einer Schöpfung, in der es sich leben lässt. Fridays for
future: Wir sehr wünschte ich „Lichterzeichen“ junge
Menschen, die weiter machen. Sundays for future for Freising: gegen
die 3. Startbahn!
Zuletzt:
Bewegungen wie der unseren wird regelmäßig vorgeworfen,
jede würde nur ans eigene
Hemd denken und nur gegen das Großprojekt vor der eigenen
Haustüre
kämpfen. Tatsächlich: um glaubwürdig zu sein müssen
wir in diesen Coronazeiten über unseren Tellerrand
hinausschauen. Seien wir solidarisch mit denen, die Corona besonders
trifft: den sozial Schwachen, mit den Flüchtlingen und
Migranten.
Liebe
Freunde der „Lichterzeichen“, ich freue mich, heute hier
bei Ihnen am Marienplatz zu sein: Seien wir dankbar für das
Erreichte! Bleiben wir aufmerksam auch in Zukunft! Kämpfen wir
weiter ohne Angst, nicht nur für uns, sondern auch für und
mit den Anderen, denen Gottes Schöpfung am Herzen liegt! „Es
kämpft sich nicht schlecht - für Heimat, Schöpfung und
Recht!“
Ich
danke Ihnen!