Der Prophet Micha und die 3. Startbahn
zum Lichterzeichen - Schweigegang
am 08.11.2007

Die Armen werden immer mehr und ärmer. Die Reichen immer reicher. Die einen scheffeln, die anderen schaffen es nicht von ihrer Arbeit zu leben, weil der Lohn zu gering ist. Gesellschaftliche, strukturelle Ungerechtigkeiten breiten sich aus. Eine Wirtschaftsordnung setzt sich durch, rücksichtslos und ruinös. - So lassen sich die Zustände z.Z. des Propheten Micha beschreiben. Vielleicht dachten Sie, verehrte Leserinnnen und Leser, eher an die Gegenwart. Die Parallelle zu heute ist augenfällig. Die Mahnung - besser die Erinnerung - des Propheten Micha gilt dann noch heute:

"Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist,

und was der Herr bei dir sucht:

Nichts anderes als Gerechtigkeit tun,

Freundlichkeit lieben

und behutsam mitgehen mit deinem Gott" (Micha 6,8)


GERECHTIGKEIT TUN

Biblisch "Gerechtigkeit tun" heißt: der Schöpfung und Gottes Geschöpfen gerecht werden. Die Herausforderung z.Z. ist der Klimawandel. Der Schöpfung gerecht werden heißt: alles tun, um die drohende Katastrophe abzuwenden. Das gilt für alle Projekte überall auf der Welt, auch in Bayern, auch in Freising. Natürlich ist die 3. Startbahn für uns Freisinger eine unmittelbare Belastung mit Lärm und zu großer Luftverschmutzung. Aber eben nicht nur für uns, sondern für die Welt. Was hier getan wird, hat Auswirkungen auf die ganze Erde. Was in der Region geschieht, geschieht mit der Welt. Wir können in Freising sehen, was wir Menschen mit dem Planeten Erde tun. Der Schöpfung, der Erde gerecht werden, geht nur, wenn alles in den Blick kommt, wenn auf alle Zusammenhänge Rücksicht genommen wird, nicht nur auf die Expansionsziele eines Wirtschaftsunternehmens.

Immer mehr Menschen verstehen, dass wir Teil dieser Erde sind, abhängig und angewiesen auf alles und alle anderen. Die Welt ist nicht zur Ausnutzung frei gegeben, sie ist unsere Lebensgrundlage. Mit ihr zerstören wir uns selbst.

Wird der Bau der 3. Startbahn dem Menschen gerecht? Die Frage muss nicht nur mit "Nein!" beantwortet werden, wenn wir an die gesundheitlichen Gefährdungen und die Zwangsabsiedelungen, an den Umgang mit Steuermitteln, Heimat und Luft denken. Sie muss auch mit "Nein!" beantwortet werden, wenn ich an die Zukunft unserer Kinder und Enkel, an die Zukunft der Welt denke.


FREUNDLICHKEIT LIEBEN

Die vorher gestellte Frage muss mit "Nein!" beantwortet werden, wenn ich beobachte, wie respektsos, ja verächtlich manche Leitende aus Wirtschaft und Politik mit den Sorgen, Nöten und Einwänden der Menschen umgehen. Das hat zu tun mit dem, was der Prophet Micha mit "Freundlichkeit lieben" meint. Es geht um Güte, Liebe, Barmherzigkeit, Treue, Solidarität und Wohltat. Es ist mehr als Gerechtigkeit tun, es verlangt eine Haltung, die der Prophet mehrmals einfordert: "Höre!" diese eindringliche Mahnung gilt zuerst den Mächtigen, Verantwortlichen. Hört die Sorgen, Nöte und Einwände der Menschen wirklich und wahrhaftig! Das aber verlangt eine Solidarität mit den Rufenden, Schreienden, Machtlosen. Ist das nur prophetisches Wunschdenken, weltfremde Utopie, ein schöner Traum? Damals wie Heute? Ist es wirklich zuviel verlangt, gehört zu werden, ohne Vorentscheidungen angehört zu werden, an Entscheidungen mitwirken zu können, deren Folgen wir und zukünftige Generationen tragen sollen?

Es mag ja stimmen, das alles nach Recht und Gesetz läuft, nur ernstgenommen wird man dadurch allein nicht. Für damals und für heute mahnt der Prophet an, woran es fehlt: Hören wollen und gehört werden als Voraussetzung für sozialen Frieden, zum Heil aller.


BEHUTSAM MITGEHEN MIT DEINEM GOTT

Gemeint ist, sich nicht zu überfordern, aber auch nicht zu resignieren, sich immer wieder an das Ziel erinnern, das Gott mit seiner Schöpfung hat: Schalom, Frieden, rundum Wohlergehen miteinander. Nicht erst im Jenseits, sondern hier und jetzt; nicht für einige Auserwählte, sondern für alle. Jetzt mitgehen mit unserem Gott und nicht müde werden die Welt im Sinne Gottes mitzugestalten. Denn er gestaltet durch uns. Unsere christliche Spiritualität ist weltzugewandt, - voller Zuwendung für diese Welt.

Sich dessen zu vergewissern, dazu dient das sonntägliche Abendgebet der Initiative "Lichterzeichen - zwei Bahnen reichen". Es beginnt an der evangelischen Epiphaniaskirche in Lerchenfeld. Schweigend gehen wir zur katholischen Kirche St. Lantpert und schließen mit einer kurzen Besinnung und einem Gebet ab. Am 4. November fand zum 50. Mal das Gebet statt. Bis dahin haben übers Jahr mehr als 10.000 teilgenommen. Viele davon sind aktiv in den verschiedenen Bürgerinitiativen. Manche gehen schweigend mit, aber nicht in die Kirche, andere gehen mit hinein und sind still dabei. Vielen aber tut es gut, Sorgen, Nöte, Hoffnungen und Motivationen ins Gebet hineinzunehmen. Jede und jeder ist in diesem Rahmen in seiner Art willkommen. Viel ist gewachsen in diesem Jahr, viel an Solidarität, Ermutigung, Kraft. Vor allem hat sich der Blick geöffnet: Was hier geschieht, geschieht der Welt. Es geht um uns, aber mit uns geht es ums Ganze. Wir haben nicht nur Verantwortung für Freising, wir haben Weltverantwortung. Denn die Welt ist Eine.

Micha ist der Prophet der Weihnachtszeit. Die Evangelisten Lukas und Matthäus greifen in der Kindheitsgeschichte Jesu die Verheißungen des Micha-Buches auf. Das Kind in der Krippe ist der dort angekündigte Bringer von Gerechtigkeit und Frieden. Unsere Sehnsucht danach hat Huub Osterhuis in ein Gebet gefasst. Das sind auch meine Wünsche für uns alle:

"An diesem Ort sei unser Friede.

In unseren Häusern wohne der Frieden.

Auf unseren Tischen Brot für den Frieden.

Für unsere Kinder sei du die Zukunft.

Licht der Verheißung, Menschen in Frieden."

Wir beten darum. Wir arbeiten daran.

Dieter Wittmann